Wie konnte die Credit Suisse so weit sinken? Das Vertrauen in die CS und die CS-Führung ist seit Monaten angeschlagen. Diese Krise ist das Resultat von einem insgesamt lamentablen Geschäftsgang in den vergangenen Jahren, der geprägt ist von Verlusten in Milliardenhöhe. Hinzu kommen selbstverschuldete Skandale, die den Ruf der Bank nachhaltig beschädigt haben.
Der Vertrauensverlust lässt sich an zwei Entwicklungen ablesen: Erstens hat die Kundschaft der CS in den vergangenen zwölf Monaten weit über 100 Milliarden Franken bei der Bank abgezogen und mutmasslich bei anderen Finanzinstituten deponiert. Dieser Geldabfluss war gewissermassen ein schleichender «Bank Run», das heisst, viele Kunden und Kundinnen haben gleichzeitig ihr Geld behändigt. Geht es um grosse Summen – wie im Fall der CS – kann diese Entwicklung eine Bank in Schieflage bringen.
Zweitens ist der Aktienkurs seit Jahren im Sinkflug. Zu ihren besten Zeiten, Mitte der 2000er Jahre, kostete die CS-Aktie über 80 Franken. Seither ging es stetig bergab bis zum aktuellen Tiefstand von unter einem Franken je Aktie.
Was war der Auslöser, dass man jetzt rasch handeln «musste»? Der starke Anstieg der Zinsen in den vergangenen Monaten, namentlich in den USA, hat jüngst verschiedene US-Banken auf dem falschen Fuss erwischt. Die Silicon Valley Bank aus Kalifornien ist deswegen zusammengebrochen und musste durch die US-Regierung gerettet werden. Dieser Fall hat international für grosse Unsicherheit gesorgt und auch Zweifel an der Stabilität der angeschlagenen CS genährt.
Zudem ist es der CS-Führung in den vergangenen Tagen nicht gelungen, glaubhaft darzulegen, dass die CS genügend stabil ist, um diesen Sturm zu überstehen. Letztlich fehlt das Grundsätzliche – das Vertrauen in die Bank. Und dieses Vertrauen lässt sich weder mit Geld noch mit Gesetzen erzeugen.
Es ist eine Vertrauenskrise und kein Liquiditätsproblem. Die Vertrauenskrise besteht aber schon länger. Warum wurde das fehlende Vertrauen genau jetzt zum Problem? Die CS-Chefs der vergangenen Jahre haben bei neuen Problemen und Verlusten stets von Altlasten ihrer Vorgänger gesprochen. Doch mit jedem neuen Milliardenverlust, mit jedem neuen Skandal hat sich das Bild einer Bank verfestigt, die das Bankgeschäft nur unzureichend beherrscht. Exemplarisch das vernichtende Verdikt der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht von Ende Februar 2023, in dem sie festhält, dass die Bank «während Jahren» die Risiken nicht «angemessen erfasst, begrenzt und überwacht» habe.
Gleichzeitig ist es der Bank nicht gelungen, den Geldabfluss zu stoppen. Im Gegenteil: Offenbar soll er sich jüngst sogar noch zugespitzt haben und für die CS existenzbedrohend geworden sein. Zwar war und ist die Bank gut kapitalisiert und erfüllt die gesetzlichen Vorgaben der Schweizer Behörden, das heisst, sie hat ein genügend grosses Finanzpolster. Doch die Bankführung hat in den vergangenen Tagen teilweise widersprüchliche Aussagen gemacht, die erst recht zu Zweifeln an der Stabilität der Bank geführt haben.
Hätte es ein anderes mögliches Szenario gegeben? Andere Szenarien wären durchaus denkbar gewesen: Die CS ganz oder zu Teilen an eine ausländische Bank verkaufen, die CS abwickeln und Konkurs gehen lassen, die Bank verstaatlichen oder die CS aufteilen, indem das Schweizer Geschäft als eigenständige Bank fortgeführt und die restlichen Geschäftsbereiche verkauft oder geschlossen worden wären.
All diese Varianten hätten – aus Sicht der Involvierten – entweder unabsehbare Folgen gehabt oder mehr Zeit für die Umsetzung benötigt. Zeit, die die CS nicht mehr hatte, weil am vergangenen Wochenende eine Lösung gefunden werden musste.