Damit UBS und Credit Suisse einst zu einer Einheit verschmelzen, braucht es Anstrengungen in vielen Bereichen. Im Interview sagt Fusionsexperte Marius Fuchs, welche Phasen nun bevorstehen und wo die Fallstricke liegen.
SRF: Wie lange wird der Prozess der Übernahme dauern?
Marius Fuchs: Ein solcher Prozess ist nie abgeschlossen. Restrukturierungen sind eigentlich normal – es geht darum, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu verbessern oder zumindest zu erhalten. Hier haben wir einen ganz ausserordentlichen Fall zweier Grossbanken, die über ein Wochenende miteinander zwangsverheiratet worden sind und sich jetzt finden müssen. Entsprechend werden wir sehen: Es wird verschiedene Phasen geben und viele Jahre dauern.
Welche Phasen stehen der UBS bevor?
Die erste Phase wird eine Kostenreduktionsphase sein. Es wird viele Entlassungen geben. In einer zweiten Phase werden die verschiedenen Produkte, Bereiche und auch die unterschiedlichen IT-Systeme in den Märkten zusammengeführt. Und in einer dritten Phase versucht man, das Ganze intern wie auch extern im Markt zusammenzubringen. Vielleicht wird die Marke Credit Suisse auch langsam verschwinden und in ein paar Jahren gar nicht mehr präsent sein.
Vielleicht sind die Top-Cracks nicht die, auf die man bauen will.
In Bezug auf das Personal steht ein gigantischer Umbau bevor. Einerseits will das Unternehmen Personal loswerden, andererseits will es die Top-Entscheider nicht verlieren. Wie kann es diesen Spagat schaffen?
Die Frage ist: Sind die Top-Cracks wirklich die, auf die man bauen will? Vielleicht sind es eher die Jüngeren oder Leute in bestimmten Nischen, die man unbedingt braucht. Wenn man fünf oder zehn Jahre nach vorne schaut, muss eine Bank vorhanden sein, in der man ein Zusammengehörigkeitsgefühl hat und loyal ist gegenüber dem Arbeitgeber – eine Bank, in der man sich wohlfühlt.
Wie muss die UBS die unterschiedlichen Firmenkulturen zusammenführen?
Zwei Kulturen zusammenzuführen, ist immer schwierig. Wir haben unterschiedliche Führungsstile. Eine UBS ist mehr hierarchisch geführt. Bei der Credit Suisse konnte man noch mehr gestalten. Das war nun nicht sehr erfolgreich. Entsprechend sind jetzt die Fragen: Muss eine neue Kultur entstehen und wie würde sie aussehen? Dabei ist zu berücksichtigen, dass die UBS im Lead ist.
Wo ist das grösste Synergie-Potenzial?
Wir haben zwei Banken, die ähnlich aufgebaut sind und ähnliche Produkte haben. Für alles gibt es zwei Personen oder zwei Teams. Ein Beispiel ist der Zahlungsverkehr. Dort haben wir noch einen hohen Automatisierungsgrad, der weiter wächst. Ein anderes Beispiel ist die Produktentwicklung, in der man mit einem guten Team viel mehr Volumen abwickeln kann. Es gibt aber auch Bereiche, die wachsen werden. Gerade der IT-Bereich – eine Bank ist doch weitgehend ein IT-Unternehmen. Dort wird grosser Bedarf sein, und vieles muss neu integriert oder neu entwickelt werden.
Die Quote, dass ein solcher Prozess scheitert, ist zwischen 50 und 70 Prozent.
Wie gross ist das Risiko, dass der Übernahmeprozess scheitert?
Die Quote, dass ein solcher Prozess scheitert – gemessen an der Wertvernichtung – ist zwischen 50 und 70 Prozent. Das ist historisch bekannt von solch grossen Unternehmen. Die Risiken sind hoch. Man muss aber definieren, was Scheitern heisst. Es darf kein Scheitern in dem Fall sein, dass die UBS ins Straucheln kommt. Das wird man mit allen Mitteln zu verhindern versuchen.
Das Interview führte Marco Schnurrenberger.