Amazon sammelt Daten von uns – so wie andere Unternehmen im Internet auch. Und wie andere Unternehmen ist auch Amazon verpflichtet, diese Daten auf Anfrage zu liefern. «Fordern Sie Ihre persönlichen Informationen an» heisst das Formular, das ich im Dschungel der Amazon-Webseite nur mit viel geduldiger Suche finden konnte.
Geduld war auch später nötig: Nachdem ich mich durch verschiedene Menus gekämpft und meine Anfrage auch noch per E-Mail bestätigt hatte, konnte ich meine Daten endlich per Knopfdruck anfordern. Allerdings wurde ich vom Hinweis gewarnt, es könne bis zu einem Kalendermonat dauern, bis sie verfügbar seien.
Daten über alles, was ich je mit Amazon zu tun hatte
Gut zwei Wochen später standen die Daten tatsächlich bereit. Allerdings: Nicht in einem Paket, sondern auf 164-ZIP-Files verteilt, die ich einzeln herunterladen musste. Richtig: Ich musste 164 Mal den Download-Knopf drücken, um die Daten auf meinen Computer zu laden…
Der Inhalt der 164 Files lässt sich leicht zusammenfassen: Amazon hat alles von mir gespeichert, was ich jemals mit dem Unternehmen zu tun hatte. Nicht nur meine erste Bestellung (im Dezember 1999 das Buch «Systemtheorie: Eine Einführung für die Geschichts- und Kulturwissenschaften», das ich nie gelesen habe), sondern auch alle nachfolgenden Bestellungen, zusammen mit Angaben, zu welcher Zeit, von welchem Gerät und mit welcher IP-Adresse ich Amazons Webseite besucht hatte.
Einige Daten – meine Bestellungen zum Beispiel – muss Amazon von Gesetzes wegen speichern. Andere dienen dem Nutzererlebnis: So waren in vielen Dateien Einstellungen und Präferenzen von mir festgehalten. Andere Daten bleiben wohl nur gespeichert, weil Amazon die Vorlieben der Kundinnen und Kunden möglichst genau kennen will.
So begegnete mir in den Daten jeder Eintrag wieder, den ich je in Alexas Einkaufslisten-App gemacht habe. Und Amazon hat alles, was ich Alexa je befohlen habe, als MP3-File in Ton festgehalten, zusätzlich schriftlich transkribiert («Alexa, stell einen Timer auf 7 Minuten!»).
«Wir haben keine Ahnung, wo unsere verdammten Daten sind»
Geht es ums Online-Shopping, dann macht Amazon es einem mit dem «Jetzt kaufen»-Knopf so einfach wie möglich. Und geliefert wird, wenn möglich, am nächsten Tag. Bestellt man aber seine eigenen Daten bei Amazon, dann ist das alles andere als einfach und schnell. Klar: Das Unternehmen hat selbst nichts davon, wenn wir dort unsere Daten bestellen. Unnötig schwer macht es den Prozess wohl aber auch nicht – vielmehr scheint Amazon selbst kaum zu wissen, wo es überhaupt welche Daten von wem speichert.
Der amerikanische Investigativ-Podcast «Reveal» und das US-Nachrichtenmedium «Politico» veröffentlichten jüngst Berichte, die Amazon als Unternehmen zeichnen, das sehr schnell sehr gross geworden ist – und dabei das Daten-Management vernachlässigt hat. «Reveal» zitiert Amazons ehemaligen Chef für Informationssicherheit mit den harschen Worten: «We have no idea where our fucking data is.»
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In den erwähnten zwei Artikeln kommen auch Sprecherinnen und Sprecher von Amazon zu Wort, die dieser Einschätzung vehement widersprechen. Und auch Amazons deutsche Medienstelle wollte den Sachverhalt auf Anfrage von SRF nicht bestätigen. Doch dass es gut zwei Wochen dauerte, bis meine Daten bereitstanden und sie auf 164 verschiedene ZIP-Files verteilt waren, lässt vermuten, dass es für Amazon tatsächlich nicht immer einfach ist, zu wissen, wo sie ihre verdammten Daten lagern.