Es ist wie ein Paradox. Im vergangenen Jahr hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Leitzins so stark und so schnell erhöht wie selten zuvor – von -0.75 Prozent auf 1.5 Prozent. Damit will die Nationalbank die Inflation bekämpfen. Nun führt ausgerechnet die Erhöhung der Zinsen dazu, dass das Wohnen massiv teurer wird. Das wiederum schlägt erneut auf die Teuerung durch und somit steigt erneut der Druck auf die Nationalbank, die Zinsen weiter zu erhöhen.
Die Geldpolitik sei wie ein Medikament mit einer Nebenwirkung, sagt Jan-Egbert Sturm, Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). «Und in diesem Fall trifft diese Nebenwirkung unter anderem die Mieten. Wir leben leider in einer Welt, in der nicht alles perfekt funktioniert – und das ist ein Beispiel dafür.»
Die Mieten steigen voraussichtlich nach Ablauf der Kündigungsfrist im Oktober. Von den Mietzinserhöhungen sind potenziell rund eine Million Haushalte in der Schweiz betroffen. Vor allem im Herbst und im kommenden Jahr dürfte die Erhöhung der Mieten auf die Teuerung durchschlagen, dies zeigen die Prognosen.
Mietzinserhöhung befeuert Inflation
In ihrer jüngsten Prognose von Ende März rechnet die KOF für das Jahr 2024 mit einer Inflationsrate von 1.5 Prozent. Laut Sturm wird diese Entwicklung stark von der Mietzinserhöhung getrieben. «Die Mieten machen fast die Hälfte dieser Inflationsrate aus.»
Die Schweiz ist ein Land, in dem Wohnen verhältnismässig teuer ist.
Die Mieten in der Schweiz haben einen grossen Einfluss auf die Teuerung, weil die Ausgaben für das Wohnen einen grossen Teil des Warenkorbes ausmachen, der für die Berechnung der Inflation entscheidend ist. Die Haushalte geben hierzulande rund ein Viertel ihres Geldes für das Wohnen und die Nebenkosten aus. Im Vergleich zum Durchschnitt des Euro-Raums steche die Schweiz hier hervor, sagt Jan-Egbert Sturm. «Die Schweiz ist ein Land, in dem Wohnen verhältnismässig teuer ist.»
Die Mieten in der Schweiz sind bereits hoch und sie dürften weiter nach oben klettern. Innerhalb eines Jahres könnten die Mieten um zehn Prozent steigen, zum einen, weil der Referenzzinssatz heute zum ersten Mal erhöht worden ist. Zum anderen können die Hauseigentümerinnen und -eigentümer auch einen Teil der Teuerung und der allgemeinen Kosten weiterverrechnen.
Nebeneffekt bei Kampf gegen die Inflation
Dass ausgerechnet die Politik der Nationalbank zu der Erhöhung der Mieten beitrage, sei zwar unerfreulich – aber bei der Bekämpfung der Inflation ein Nebeneffekt. «In einer idealen Welt möchte man so einen Kreislauf nicht. Es ist aber auch nicht der einzige Kreislauf, der sich vollzieht», sagt der Leiter der ETH-Konjunkturforschungsstelle.
Im Grossen und Ganzen werde die Inflation durch die heutige Geldpolitik wieder zurückgefahren. «Natürlich gibt es gewisse Ausnahmen, wie aktuell bei den Mieten. Und aus Sicht der Nationalbank ist das auch eine Ausnahme, die sie wahrscheinlich lieber nicht hätte», schliesst Sturm.
Im Verlauf des Jahres wird die Nationalbank den Leitzins wohl weiter erhöhen. Damit gelingt es ihr zwar, die Inflation zu bändigen, weil die Wirtschaft gebremst wird und die Preise allgemein sinken. Die Mieten steigen allerdings weiter.