Der australische TV-Journalist David Taylor schreibt Anfang Oktober: «Glaubwürdige Quellen sagen mir, dass eine grosse internationale Investmentbank am Abgrund steht.» Er nennt die Credit Suisse zwar nicht. Doch der Tweet geht viral. Schnell kommt der Name Credit Suisse ins Spiel. Credit Suisse vor dem Kollaps? Bankrott? Too big to fail?
Letzten Mittwoch verbreitete sich das Video des Präsidenten der Saudi National Bank, der verkündet, kein Geld mehr in die Credit Suisse einzuschiessen, in Windeseile auf den sozialen Kanälen. Der Aktienkurs fällt noch weiter in die Tiefe – der Rest ist Geschichte – das Ende der CS.
Missmanagement oder Social Media?
An der Medienkonferenz vom Sonntag sahen die Verantwortlichen der CS und der Finanzmarktaufsicht Finma den Grund für den Vertrauensverlust nicht etwa beim Missmanagement, sondern vor allem auch bei Social Media. Marlene Amstad, Verwaltungsratspräsidentin Finma: «Seit dem Oktober 2022 führten auf den Sozialen Medien ausgelöste Gerüchte zu massiven Abflüssen von Kundeneinlagen bei der Credit Suisse.»
Seit dem Oktober 2022 führten auf den Sozialen Medien ausgelöste Gerüchte zu massiven Abflüssen von Kundeneinlagen bei der Credit Suisse.
Axel Lehmann, Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse bläst ins selbe Horn: «Viele Kunden und Kundinnen sind lange sehr loyal und sehr treu gewesen. Letzten Herbst hatte dann der Social-Media-Storm ganz enorme Auswirkungen.»
Social Media als Totengräber einer Grossbank – so einfach sei es nicht. Wirtschaftspsychologe Christian Fichter befasst sich mit den psychologischen Grundlagen des wirtschaftlichen und sozialen Verhaltens. «Social Media sind sicher nicht alleine Schuld, aber ich kann verstehen, dass die Aussage dort gemacht worden ist. Soziale Medien haben einen sehr starken Anteil in der Meinungsbildung heute und leider ist das so, dass halt die Meinung dann auch durch Tweets oder durch Informationen ohne das Checken der Fakten gebildet werden.»
Ausrede der Schuldigen
Der Verhaltensökonom Sandro Ambühl – spezialisiert auf Finanzmärkte – sieht es als Ausrede, den Schuldigen bei den Sozialen Medien zu suchen. «Sobald die Information herauskommt, ist sie extrem wertvoll für Investoren und sie wollen alles daransetzen, dass sie möglichst schnell möglichst gute Informationen haben. Wenn es jetzt keine Social Media gäbe, wären die Leute halt alle mit einem Telefon an dieser Pressekonferenz und würden sofort über das Telefon kommunizieren anstatt über Twitter.»
Der Einfluss von Social Media ist aber gerade bei amerikanischen Silicon Valley Bank nicht ganz von der Hand zu weisen. Tausende Tweets fluteten in den Tagen und Wochen vor dem Kollaps das Internet. «Rennt zur Bank! Holt Euer Geld raus!» Das Ergebnis: über 40 Milliarden fliessen innert Stunden ab. Das führt zum ersten Internet basierten Banken-Run.
Das heisst eben auch, ein Tweet alleine bringt noch keine Bank zu Fall, aber er kann das Ganze beschleunigen – wie bei der CS. Wirtschaftspsychologe Fichter: «Ich denke, es wäre wahrscheinlich doch so gekommen, einfach, weil die Abwärtsspirale von schlechtem Image, von mutmasslich schlechter Führung und von Grossanlegern, die sich ihre Gedanken gemacht haben, wahrscheinlich nicht mehr aufzuhalten gewesen wäre.»