Sara Stalder, die bekannteste Konsumentenschützerin der Schweiz, strahlt über beide Ohren. Heute legt sie sich mit einem ganz Grossen an: dem VW-Konzern. Kein Unternehmen weltweit verkauft mehr Autos, der Jahresumsatz liegt bei knapp 220 Milliarden Euro.
Stalder begutachtet vor dem Handelsgericht die Klage und die Beweise-Papiere, verpackt in unzählige Kartons: «Es sind unendlich viele Dokumente. Der Anwalt hat uns gesagt, dass es über hunderttausend Seiten Papier sind. Die Klage umfasst schriftlich auch 600 Seiten. Das war administrativ ein immenser Aufwand.»
Betrieben habe sie diesen Aufwand für die Konsumenten gern. Die Dokumente in den Kartons sollen aufzeigen, wie Autokäuferinnen und -käufer in der Schweiz von VW und der Schweizer Autohändlerin Amag getäuscht wurden. Amag vertreibt VW und seine Marken in der Schweiz – also auch Audi, Skoda und Seat.
Wir wollen, dass der VW-Konzern auch in Europa geradesteht.
Wertverlust auf dem Occasionenmarkt
«Wir wollen, dass der VW-Konzern auch in Europa geradesteht. In den USA hat er über 20 Milliarden Dollar zurückbezahlt und zehntausend Autos zurückgenommen», sagt Stalder. In Europa sei hingegen überhaupt noch nichts passiert. «VW hat sich noch nicht einmal bereit erklärt, an den Verhandlungstisch zu sitzen.»
Der durchschnittliche Schaden liege je nach Auto bei 3000 bis 7000 Franken. «Vielfach haben die Leute ein ökologisches Auto gesucht aber viel zu viel dafür bezahlt», sagt Stalder. Denn die ausgelieferten Autos hätten nicht den versprochenen ökologischen Standards entsprochen. «Zudem haben die Autos auf dem Occasionsmarkt an Wert verloren.» Das haben laut ihr verschiedene Gutachten herausgefunden. Experten aus der Auto-Branche widersprechen hier allerdings.
Amag weist vorwürfe zurück
Dass die Konsumentenschützerin VW in die Zange nimmt, ist naheliegend. Das VW-Management hatte bekanntlich entschieden, die Abgas-Tests zu manipulieren. Warum aber geht die Konsumentenschützerin auch gegen die Amag vor? «Wir schliessen nicht aus, dass Amag vorher von diesem Betrug wusste. Sie haben das noch nicht zugegeben, aber wir wollen sie auch nicht aus dem Verdacht lassen», sagt Stalder.
Wir stellen tendenziell fest, dass die Preise wieder leicht anziehen.
Inzwischen hat die Autohändlerin Amag darauf reagiert. Sie weist sämtliche Vorwürfe zurück. Weder habe sie ihre Kunden getäuscht, noch sei diesen ein Schaden entstanden. Auf dem Occasionsmarkt seien VW-Autos gefragt, sagt Amag-Sprecher Dino Graf: «Wir stellen tendenziell eher fest, dass die Preise wieder leicht anziehen.» Die Amag arbeite zwar eng mit dem VW-Konzern zusammen, habe von den Abgas-Manipulationen aber auch erst aus den Medien erfahren.
Welches Urteil die Richter fällen werden, ist völlig offen. Die Frage, wie ein allfällig entstandener Schaden gemessen werden kann, ist schwierig zu beantworten. Die mutmasslich Geschädigten in der Schweiz gehen indes kein Risiko ein.
Die grossen Rechtsschutz-Versicherungen der Schweiz haben sich zusammengeschlossen und decken die Prozesskosten. Und 6000 Personen haben ihre Ansprüche auf Schadenersatz dem Konsumentenschutz abgetreten, der diese nun nach dem Vorbild der Sammelklagen in den USA gesammelt geltend macht. Die Klage wurde heute eingereicht, weil die Fälle sonst schon bald verjähren.