Während die Teuerung in den USA, der Eurozone und Grossbritannien auf bis zu zehn Prozent geklettert ist, ist sie in der Schweiz mit 3.5 Prozent noch relativ moderat.
Uns hilft der starke Franken, wie der Präsident der Schweizerischen Nationalbank SNB, Thomas Jordan, sagt. «Die Aufwertung des Frankens hat einen Teil der Inflation absorbiert.»
Wir müssen aufpassen, dass wir wegen der gestiegenen Energiepreise nicht plötzlich überall Inflation haben.
Trotzdem ist die Teuerung in der Schweiz aus Sicht der SNB zu hoch. Die Notenbank hat den Leitzins deshalb bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr erhöht, diesmal gleich um 0.75 Prozentpunkte auf 0.5 Prozent.
Teuerung im Griff behalten
Kritiker monieren, dass vor allem die massiv gestiegenen Energiepreise die Inflation schürten, wogegen Zinserhöhungen aber kaum etwas nützen. Doch Jordan kontert: «Wir müssen aufpassen, dass wir wegen der gestiegenen Energiepreise nicht plötzlich überall Inflation haben.»
Denn wenn erst einmal eine sogenannte Inflationserwartung um sich greife, sei es viel schwieriger, die Teuerung wieder in den Griff zu bekommen. Er will also verhindern, dass die Preissteigerungen alle Verästelungen der Wirtschaft erfassen und sich dann hochschaukeln.
Weitere Zinserhöhung wahrscheinlich
Das sei gut, findet Ökonom und Unternehmensberater Klaus Wellershoff, der eher als Kritiker der SNB gilt. «Es ist höchste Zeit, dass die SNB reagiert.» Allerdings: Historisch gesehen seien die Zinsen stets höher gewesen als die Inflation, das sei mit 0.5 Prozent Leitzins noch nicht der Fall, betont Wellershoff.
Es ist höchste Zeit, dass die SNB reagiert.
Entscheidend ist die sogenannte Kern-Inflation. Sie klammert Preiskapriolen bei Energie und Lebensmitteln aus und beträgt in der Schweiz derzeit etwa zwei Prozent. Der Leitzins hingegen liegt neu erst bei 0.5 Prozent. SNB-Präsident Jordan hat denn auch bereits angekündigt, dass schon bald weitere Zinserhöhungen nötig werden könnten.
Rezessionsbefürchtungen bei links
Da zuckt Rudolf Strahm zusammen. Der Ökonom und frühere SP-Nationalrat findet es zwar grundsätzlich gut, dass die SNB den Leitzins angehoben hat. «Doch die starke Zinserhöhung ist auch mit Risiken verbunden», betont er.
Die starke Zinserhöhung ist auch mit Risiken verbunden.
Strahm hätte sich einen kleineren Zinsschritt gewünscht. Denn er befürchtet, wie übrigens auch der Gewerkschaftsbund, dass zu forsche Zinserhöhungen das hiesige Wirtschaftswachstum abwürgen und Arbeitsplätze bedrohen könnten.
«Derzeit zeigen vorlaufende Indikatoren eher nach unten – und auch im Ausland erwartet man eine Rezession.» Deshalb wäre in seinen Augen eine etwas moderatere Anhebung des Zinses eher am Platz gewesen.
Der Krieg bringt weiter Unsicherheiten
Tatsächlich steht die Wirtschaft im In- und Ausland momentan auf wackligen Beinen. Das räumt auch SNB-Präsident Thomas Jordan ein. Der Krieg in der Ukraine habe massive Auswirkungen auf die Energiepreise, was die Inflation weiter anheizen könnte. Und auch in den USA schwäche sich die Konjunktur ab.
Das alles geht nicht spurlos an der Schweiz vorbei. Im schlimmsten Fall ist auch hierzulande eine Rezession denkbar. Trotzdem hat die Nationalbank ihren Leitzins kräftig erhöht. Das zeigt: Sie sorgt sich momentan mehr um die Inflation als um eine allfällige Rezession.