Der Personaldienstleister Adecco gibt jedes Jahr den Fachkräftemangel-Index heraus, in dem er die offenen Stellen und die stellensuchenden Fachkräfte auf dem Schweizer Arbeitsmarkt analysiert. Bisher herrschte ein Überangebot an Stellen, für die es keine Fachleute gab. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Index um 17 Prozent gesunken. Die Lage am Arbeitsmarkt spitze sich weiter zu, sagt Monica Dell’ Anna, Schweiz-Chefin des Personaldienstleisters Adecco im Interview mit SRF News. Nicht nur wegen der Coronakrise.
SRF: Wie zeigt sich die Situation der Fachkräfte in der Schweiz?
Monica Dell’Anna: Der Fachkräftemangel hat zum ersten Mal, seit wir diese Studie machen abgenommen. Das bedeutet, dass wir zwar immer noch einen Mangel an Fachkräften haben. Die Zahl der Stellen, die ausgeschrieben werden, hat jedoch sichtbar abgenommen, gleichzeitig suchen mehr Fachkräfte eine Stelle. Die Diskrepanz ist in der Deutschschweiz deutlich grösser als in der Romandie.
Welches sind die grössten Auffälligkeiten und wie nachhaltig sind diese?
Die grossen Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr sehen wir im Überangebot von Fachkräften in den kaufmännischen und administrativen Berufen. Es gibt dort weniger Stellen und mehr Fachleute, die sich auf diese Stellen bewerben. Dieselbe Entwicklung sehen wir in der Reinigungsbranche, aber auch in kosmetischen Berufen oder im Bereich der Gastronomie und Hotellerie aufgrund der Coronakrise.
Wieso ist die Lage bei den kaufmännischen Berufen so angespannt?
Hier gibt es vor allem zwei Gründe. Der erste liegt in der Coronakrise. Unternehmen streichen Stellen, auf die man relativ einfach verzichten kann, beispielsweise solche, die nicht umsatzrelevant sind. Der zweite ist ein struktureller Grund. Dieser hat eine nachhaltige Wirkung. Es ist die Digitalisierung. Viele administrative Aufgaben werden automatisiert. Hinzu kommt, dass viele Stellen ins Ausland ausgelagert werden, deshalb gibt es entsprechend ein kleineres Stellenangebot in der Schweiz.
Um einen Job im kaufmännischen Bereich zu finden, ist es wichtig, dass man sich weiterbildet.
Welche KV-Berufe sind betroffen, welche weniger?
Wir sehen hier keine grossen Unterschiede. Eine Ausnahme bilden die Buchhalterinnen und Buchhalter. Dort ist das Angebot an Stellen im Vergleich zum vergangenen Jahr nicht gesunken. Stellensuchende und Angebote halten sich in etwa die Waage. Um einen Job im kaufmännischen Bereich zu finden, ist es wichtig, dass man sich weiterbildet – vor allem in Digitalisierungsbereichen – oder eine Sprache lernt. Damit kann man fast nichts falsch machen.
Das Gespräch führten Pascal Schumacher und Urs Gilgen.