Die ganz grossen Entlassungswellen sind in der Schweiz bisher zwar ausgeblieben, doch die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist angespannt. Das spürt auch Adecco: Der Personaldienstleister kann im ersten Halbjahr nicht nur weniger Festanstellungen vermitteln, sondern auch weniger Temporärstellen.
Um über 20 Prozent sind die Einsatzstunden von Temporärmitarbeitenden laut dem Branchenverband der Personaldienstleister im April und im Mai eingebrochen. Temporärmitarbeitende hätten während des Lockdowns mehr gelitten als Festangestellte, sagt die Chefin von Adecco Schweiz, Monica Dell'Anna: «Die Temporärarbeit ist ein Frühindikator für die Konjunktur. Und wenn es einen massiven Einbruch gibt, spürt das die Temporärarbeit sofort.»
Tessin und Romandie besonders betroffen
Einen Einbruch gab es insbesondere in der Romandie und im Tessin. Dort sind die Einsatzstunden während des Lockdowns zeitweise um über 80 Prozent eingebrochen. Das hat damit zu tun, dass in diesen Regionen Gastronomie, Tourismus und der Bau wichtige Branchen sind. Branchen, die besonders auf Temporärarbeit setzen, und die wegen des Lockdowns stark gelitten haben.
Im Juni und im Juli habe sich die Lage schweizweit zwar wieder verbessert, weil zum Beispiel Events teilweise doch stattgefunden hätten, so die Chefin von Adecco Schweiz. Von einer Entspannung könne man aber nicht sprechen, sagt Dell'Anna. Im Gegenteil: Die Aufträge seien massiv eingebrochen.
Nach der Krise ist die Temporärarbeit ein fantastisches Instrument.
«Es braucht deshalb die Phase, in der wiederaufgebaut wird, bevor die Temporärarbeit wieder eingesetzt wird», so Dell'Anna. «Aber nach der Krise mit dieser grossen Unsicherheit ist die Temporärarbeit ein fantastisches Instrument», ist sie überzeugt. Wann genau die Temporärarbeit bei den Unternehmen wieder attraktiver wird, sei aber schwierig zu sagen.
Das habe damit zu tun, dass noch nicht klar ist, wann und wie sich die Wirtschaft erholen wird, sagt Dell'Anna. Zudem würden die Unternehmen in einem ersten Schritt versuchen, ihre Festangestellten wieder voll zu beschäftigen. Die Aussichten für Temporärmitarbeitende sind also so oder so noch länger trüb. Rund die Hälfte von ihnen sind Hilfskräfte. Für sie ist Temporärarbeit oft eine Möglichkeit, überhaupt Geld zu verdienen.
Ende der Kurzarbeit bereitet Sorgen
Neben Dell'Anna macht sich auch Boris Eicher vom Branchenverband der Personaldienstleister vor allem Sorgen wegen der auslaufenden Kurzarbeitsmöglichkeit für Temporärmitarbeitende. «Derzeit sind rund 20'000 Temporäre in Kurzarbeit. Mit dem Auslaufen der Notverordnung steht der Branche diese Kurzarbeit nicht mehr zur Verfügung.»
Eicher befürchtet, dass bis zu 20'000 Temporärangestellte ab Ende August ohne Arbeit sind. Dann läuft die Kurzarbeit für Temporärangestellte aus. Deshalb fordert der Branchenverband vom Bund, dass – ebenso wie für die Festangestellten – auch für die Temporärmitarbeitenden die Kurzarbeit verlängert wird. Das tut der Verband nicht uneigennützig: Immerhin verdient die Branche mit der Vermittlung von Temporärangestellten Geld.