Der Fall rund um die Tennisspielerin Peng Shuai beschäftigt seit Anfang November weit mehr als nur die Sport- und Tenniswelt. Anders als in der Vergangenheit trifft China im Fall Shuai auf Gegenwind. Der Frauen-Tennisverband WTA legt alle chinesischen Turniere vorerst auf Eis. Ein mutiger Entscheid. Mutig, weil die finanziellen Opfer für den Verband gross sein dürften.
Soweit ich mich erinnern mag, hat in der Vergangenheit keine Sportorganisation einen so starken Standpunkt zur Verteidigung der Menschenrechte – in China und auf der ganzen Welt – eingenommen.
Grosse Sportverbände, wie der Weltfussballverband FIFA oder das Internationale Olympische Komitee IOC, geraten immer wieder in die Kritik, dass sie das Geschäft über die Menschenrechte stellen.
Umso grösser ist die Bedeutung des jüngsten WTA-Entscheids. Dies sagt auch der Leiter vom Sportmanagement der Universität St. Gallen, Christian Lang. Gemäss Lang hat es in Vergangenheit kaum eine Sportorganisation gegeben, die einen so starken Standpunkt zur Verteidigung der Menschenrechte einnimmt – weder in China, noch irgendwo sonst auf der Welt.
China bringt der WTA Millionen
Dass die finanziellen Konsequenzen beträchtlich sein dürften, bestätigt Lang: «China ist Inhaber einer Reihe von Veranstaltungen der WTA und somit für den Verband ein wichtiger Geldgeber. Dieser Entscheid könnte für die WTA Millionen kosten.»
Gemäss der NZZ stammt rund ein Drittel des Umsatzes der WTA aus China. Erst 2019 hatte die WTA mit der Stadt Shenzhen bezüglich der WTA-Finals einen Vertrag über zehn Jahre unterschrieben. Wert: 120 Millionen US-Dollar. Ein längerfristiges Ausbleiben der Turniere in China dürfte also ein grosses Loch in der Kasse der WTA hinterlassen.
Alleine in diesem Jahr waren elf WTA-Turniere in China geplant. Wegen der Corona-Pandemie fanden diese jedoch nicht statt – oder an anderen Orten. Jüngstes Beispiel: die Austragung der diesjährigen WTA-Finals in Guadalajara (Mexiko). Das prestigeträchtige Turnier war ursprünglich im chinesischen Shenzhen geplant.
Der Fall der «feigen» Basketball-Liga NBA
Vor etwas mehr als zwei Jahren sorgte der Tweet von Daryl Morey – damaliger Manager des Basketball-Teams Houston Rockets – für Unmut in China. Morey unterstützte in seinem Tweet die Proteste in Hongkong gegen ein umstrittenes Auslieferungsgesetz.
Als Folge sprangen chinesische Sponsoren ab und es gab ein Ausstrahlungsverbot der Saisonvorbereitungsspiele der amerikanischen NBA im chinesischen Staatsfernsehen. Die NBA gab sehr schnell klein bei. Trotzdem betrugen die Verluste, die die NBA dadurch erhalten haben soll, dutzende Millionen US-Dollar.
Das finanzielle Risiko, das die WTA eingeht, ist deutlich grösser als es bei der feigen NBA und anderen Sportligen der Fall war.
Das Wirtschaftsmagazin Forbes zitiert den ehemaligen amerikanischen Botschafter Winston Lord: «Das finanzielle Risiko, das die WTA eingeht, ist deutlich grösser als es bei der feigen NBA und anderen Sportligen der Fall war. Ich hoffe und zweifle gleichzeitig, dass dieser Entscheid andere Organisationen dazu bringt, der ökonomischen Einschüchterung durch China entgegenzuhalten.»
Verschiedene Stimmen fordern genau dies nun vom Internationalen Olympischen Komitee IOC. In zwei Monaten finden die Winterspiele in Peking statt. Die Wahrscheinlichkeit, dass das IOC die Spiele der chinesischen Metropole entzieht, dürften aber gering sein. Denn die Zeit ist knapp und eine Verschiebung dieses Riesen-Events gelingt nicht so einfach, wie es bei einer Handvoll Tennis-Turnieren der Fall ist.
Trotzdem: Der WTA-Entscheid könnte Signalwirkung haben und die lang geglaubte ökonomische Unantastbarkeit Chinas im Sport infrage stellen.