Was heute geplant ist: Der ehemalige Chef von Raiffeisen Pierin Vincenz steht heute Mittwoch an der Seitenlinie. Sein Anwalt hat bereits einen Freispruch und eine Entschädigung für die durch die Anklage entstandenen Kosten gefordert. Geplant sind im Verlauf des Tages die Befragung des Mitangeklagten AE. Der Mann hatte in der ersten Phase des Prozesses Corona, deshalb wird er erst jetzt befragt. AE ist Mitbegründer der Firma Investnet, die 2015 komplett von Raiffeisen übernommen worden war – er ist angeklagt wegen angeblicher Gehilfenschaft zum Betrug. Zudem gehen die Plädoyers der übrigen Angeklagten weiter.
Die Vorwürfe: Im Zeitraum von 2006 bis 2015 haben die Kreditkartenfirma Aduno und die Bank Raiffeisen vier Gesellschaften aufgekauft. Commtrain, Investnet, Eurokaution und GCL. Laut Staatsanwaltschaft hatten sich die beiden Hauptangeklagten Pierin Vincenz und Beat Stocker im Vorfeld der Übernahmen heimlich an den vier Gesellschaften beteiligt. Gleichzeitig beeinflussten sie laut Staatsanwaltschaft in ihren Führungsrollen bei Aduno und Raiffeisen die Übernahmepreise der Gesellschaften. Dadurch sollen sich die Angeklagten bereichert haben – ein Betrug. Zudem soll Pierin Vincenz private Spesen in der Höhe von fast 600’000 Franken ungerechtfertigt der Bank verrechnet haben.
Die Verteidigung von Pierin Vincenz: Die Verteidigung torpediert die Grundlage der Anklage. Anwalt Lorenz Erni argumentiert, sein Mandant Pierin Vincenz habe gar keine Beteiligung an den Gesellschaften Investnet, Eurokaution und GCL gehabt – im für die Anklage relevanten Zeitraum. Es könne also kein Betrug vorliegen. Einzig im Fall von Commtrain bestätigt Pierin Vincenz eine Beteiligung an der Gesellschaft im fraglichen Zeitraum. Bei der Übernahme durch Aduno habe er aber keine aktive Rolle gespielt, der Übernahmepreis sei angemessen gewesen, es sei kein Schaden entstanden.
Zu den Spesen sagt die Verteidigung, dass die Auslagen im Interesse der Bank gewesen seien. Vereinzelte Spesen seien irrtümlicherweise Raiffeisen verrechnet worden.
Staatsanwaltschaft unter Druck: Im Fall von Pierin Vincenz liegt der Ball wieder bei der Staatsanwaltschaft. Sie muss beweisen können, dass sich der ehemalige Chef von Raiffeisen auch wirklich an den umstrittenen Gesellschaften im relevanten Zeitraum beteiligt hatte. Bisher gibt es etliche Indizien, wie Mails, Telefonaufnahmen und Chats – ob das aus Sicht der Richter als Beweiskette reicht, ist offen.
Die nächsten Schritte: Die Befragung von AE heute Mittwoch könnte neue Erkenntnisse bringen, entscheidende Details, auch zur Rolle der Hauptangeklagten. AE hat die Firma Investnet 2009 gegründet, unter anderem mit PW, der ebenfalls angeklagt ist. Allerdings ist PW erkrankt, hat Demenz und kann vom Gericht nicht mehr befragt werden.
Im März wird der Prozess weitergeführt, geplant sind weitere vier Tage. Ein Urteil dürfte erst Ende März oder Anfang April vorliegen.