Geld leihen – eigentlich nichts Aussergewöhnliches. Doch wenn der Kreditgeber der Weltfussballverband Fifa ist, dann schaut man eben doch etwas genauer hin. So ging es den beiden Berner Stadtparlamentarierinnen Milena Daphinoff (Die Mitte) und Florence Schmid (Jungfreisinn). In der Jahresabrechnung der Stadtverwaltung haben sie entdeckt, dass Bern Millionenkredite von der Fifa erhalten hat. 45 Millionen im Jahr 2021, 158 Millionen 2022, fünf Tranchen, jeweils für drei Monate.
Für Daphinoff ist diese Praxis in der links-grünen Stadt Bern unverständlich: «Ich finde es enorm stossend, ja skandalös. Wir haben in den letzten Jahren so viele Korruptionsvorwürfe zur Fifa gehört.» Dass die Stadt dort Geld aufnehme, um sich die «Wohlfühloase» in Bern zu finanzieren, das gehe nicht. Für Florence Schmid sind diese Darlehen ein Sinnbild für die klamme Stadt Bern: «Anscheinend ist die Schuldensituation so schlimm, dass Bern sogar bei der Fifa Geld aufnehmen muss.»
Ich finde es enorm stossend, ja skandalös. Wir haben in den letzten Jahren so viele Korruptionsvorwürfe zur Fifa gehört.
Die Stadt selbst veröffentlicht heute in einer Mitteilung den gesamten Umfang ihrer Fifa-Kredite. Die Summen erstaunen. Seit 2017 hat die Stadt Bern Finanzierungen in der Höhe von insgesamt 1.8 Milliarden Franken von der Fifa bezogen, in 35 Tranchen, allesamt kurzfristig. Das Geld war unterteilt in Darlehen und in Vehikel zur Zinsoptimierung.
Wieso braucht die Stadt Geld der Fifa?
Doch warum nimmt die Stadt bei der Fifa Geld auf? Finanzdirektor Michael Aebersold sagt, dass die Verwaltung jederzeit liquid sein müsse: «Wir haben dreimal pro Jahr Steuereingänge und müssen zwischendrin Darlehen aufnehmen, kurzfristig.» Das, weil das Finanzpolster der Stadt anscheinend nicht ausreicht, um immer alle Kosten zu decken.
Moralische Fragen rund um den Geldgeber hätten bisher keine Rolle gespielt. Die Finanzierungen haben Bern und die Fifa über die Darlehensplattform «Loanboox» abgeschlossen. Voraussetzungen: Der Geldgeber muss in der Schweiz sein und das Darlehen in Franken ausgeben. «Und bisher haben wir entschieden, dass wir dann das günstigste Angebot nehmen», so Aebersold. Mehr Kriterien gibt es nicht. Anscheinend lief das Geschäft mit der Fifa gut: Seit 2017 hat die Stadt Bern 3.1 Millionen Franken eingenommen. Das, weil sie aufgrund der Negativzinsen Geld erhalten hat für die Kredite.
Rechtlich erlaubter Vorgang
Rechtlich gesehen darf die Fifa offenbar Kredite vergeben. Tobias Lux von der Finanzmarktaufsicht Finma schreibt: «Die Vergabe von Krediten oder Darlehen ist bewilligungsfrei möglich.» Hingegen hätten Gesellschaften in der Regel eine Unterstellung unter das Geldwäschereigesetz nötig, wenn sie Kredite oder Darlehen im grösseren Stil vergeben. Doch diese Regel gilt für die Fifa anscheinend nicht. Man sei dem Geldwäschereigesetz nicht unterstellt, schreibt der Verband heute auf Anfrage, ohne Gründe dafür zu nennen.
Die Vergabe von Krediten oder Darlehen ist bewilligungsfrei möglich.
Doch wie steht es um die Moral – soll eine Stadt von der Fifa Geld aufnehmen? Michael Aebersold gibt zu, dass die WM in Katar und die damit verbundenen Fragen um Menschenrechte und Korruption die Sache in ein neues Licht rücken. «Aber die Fifa ist bisher juristisch nicht verurteilt worden. Es ist für mich auch wichtig zu wissen, dass das Geld nicht aus irgendeinem Köfferchen kommt, sondern von Schweizer Bank zu Schweizer Bank überwiesen wird.»
Ethischer Kodex für die Stadt
In den Augen von Milena Daphinoff und Florence Schmid muss die Stadt reagieren: «Ich werde in einem Vorstoss mit der FDP einen Ethik-Kodex für die Stadt verlangen», sagt Daphinoff. Sie habe erwartet, dass die Stadt Governance-Regeln hat, die bei Geldaufnahme gelten. Solche Regeln müssten nun her. Auch Florence Schmid vermisst einen «moralischen Kompass» bei den Darlehen.
Allenfalls kommt ihnen der Finanzdirektor aber zuvor. Michael Aebersold will von sich aus prüfen lassen, ob die Stadt noch Fifa-Gelder annehmen soll oder ob sie auf einer Blacklist landen soll. «Aber der Entscheid darf nicht willkürlich sein. Wir müssen dann auch Argumente haben aufgrund von Verdachtsmomenten.»