Schweizer Industriefirmen suchen «Apparatebauer», «Projektleitende für Rollmaterial-Modifikationen» oder «Entwicklungsingenieure für Hydraulikventile». Und sie finden: Männer. Daran ändern auch die geschlechtsneutralen Formulierungen in den Stelleninseraten nichts. Der Frauenanteil in der Industrie lässt im Vergleich zu anderen Branchen zu wünschen übrig – seit eh und je.
27 Prozent aller Angestellten in der Schweizer Industrie seien Frauen, heisst es bei Swissmem auf Anfrage. Allerdings zählt der Branchenverband alle Personen aus sämtlichen Berufsgruppen, also etwa auch die Fachkräfte in den Personal- oder Kommunikationsabteilungen der Industriefirmen. Im Kerngeschäft sei der Frauenanteil «erheblich» tiefer.
Die Branche braucht Vorbilder
Die Absenz der Frauen beschäftigt auch die Führungsriegen von ABB und Alstom. Cora Hentrich-Henne leitet rund 800 Alstom-Angestellte in der Schweiz, Nora Teuwsen ist als Vorsitzende der ABB-Schweiz-Geschäftsleitung für 3500 Personen verantwortlich. Beide bemühen sich um mehr weibliches Personal, nicht nur wegen des Fachkräftemangels, sondern auch, weil diverse Teams «mehr Kreativität und Innovation» schafften.
Doch wo setzen die beiden Chefinnen an? Das Problem beginne schon im Kindesalter, sagt Nora Teuwsen. Die Gesellschaft sehe andere Berufe für Mädchen vor als die technischen. «Wir möchten Mädchen für Technik begeistern. Wir gehen in die Schulen und möchten dort wirklich diese Freude wecken - für mehr Frauen in der Industrie», sagt die ABB-Schweiz-Chefin.
Cora Hentrich-Henne betont die Verantwortung der Geschäftsleitungen. Diese müssten bei Beförderungen «mehr Frauen zum Zuge kommen lassen», den Aufstieg bis ganz nach oben ermöglichen. Dort könnten diese dann als Vorbilder andere Frauen inspirieren. Alstom lebt es vor: In der 16-köpfigen Schweiz-Leitung sitzen inzwischen acht Frauen.
Frauenmangel trotz Karrierechancen
In diesem Punkt steht die Industrie inzwischen vergleichsweise gut da. Der Pool an Frauen ist zwar dünn, aber diese machen dafür überdurchschnittlich oft Karriere, sprich, sie steigen in der Hierarchiestufe auf. Das zeigte 2022 eine Studie der Universität St. Gallen. Nicht einmal der öffentliche Sektor bietet Frauen so grosse Aufstiegschancen wie die Industrie.
Dagegen identifiziert die Studie ein grosses Hindernis bei den Anstellungsbedingungen: Die «Vollzeit-Kultur» in der Industrie, also dass vor allem 100-Prozent-Stellen angeboten werden, erschwere es, Frauen anzuziehen.
Tiefere Pensen, junge Frauen für technische Berufe begeistern und Vorbilder wie Hentrich-Henne und Teuwsen könnten helfen, das Frauenproblem in der Industrie zu lösen. Der Weg, den die Branche eingeschlagen hat, ist allerdings lang.