Die Energiepreise sind so hoch wie lange mehr nicht und der Klimawandel ist allgegenwärtig. Da erstaunt es umso mehr, dass allein im letzten Jahr 140 Millionen Tonnen Gas, die bei der Erdölförderung frei wurden, einfach abgefackelt wurden. Das ist etwa so viel, wie Japan und Korea zusammen pro Jahr importieren.
Für Padre Charly ist diese Praxis seit Jahren schmutzige Realität. Der ältere Mann steht mitten in der Nacht hinter dem Drahtzaun einer Ölförderanlage im Urwald von Ecuador, die vom Schein einer riesigen Gasflamme erleuchtet wird. Es ist laut und stinkt. Russpartikel fliegen durch die Luft: «Sie kontaminieren das Wasser, die Luft, die Produkte, die hier wachsen. Meine Tomaten im Garten zum Beispiel. Und die Gasfackeln machen die Leute krank. Viele sterben an Krebs.»
500 Millionen Tonnen CO2
Was der Pater aus Ecuador berichtet, passiert auf der ganzen Welt. In Russland, dem Irak, den USA, Venezuela, Algerien und Nigeria – überall, wo Erdöl gefördert wird, wird Gas nutzlos verbrannt. Dabei ist das Gasabfackeln oder «Flaring» hochumstritten. Denn es entstehen Unmengen an gefährlichen Klimagasen wie CO2 und Methan. Methan ist deutlich klimaschädlicher als CO2.
Die Internationale Energie-Agentur in Paris (IEA) schätzt, dass durch das Flaring weltweit jährlich rund 500 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten an Klimagasen freigesetzt werden. «Das entspricht ungefähr der Menge, die sämtliche Autos in Europa zusammen pro Jahr an Abgasen in die Luft pusten», erklärt Christophe McGlade, Chef der Abteilung Energieversorgung bei der IEA.
Das entspricht ungefähr der Menge, die sämtliche Autos in Europa zusammen pro Jahr an Abgasen in die Luft pusten.
Weltbank-Initiative wirkungslos
Diese Grössenordnung sei klimapolitisch von grosser Bedeutung. Das Gas würde besser abgefangen und als Energieträger verkauft. Die Erkenntnis ist so ernüchternd wie alt: Schon 2015, dem Jahr der Pariser Klimakonferenz, startete die Weltbank eine globale Initiative, um das Flaring bis 2030 weltweit zu eliminieren. Konzerne können freiwillig mitmachen. Genützt hat es nichts.
Denn in den meisten Fällen fänden Firmen es zu teuer, das Gas dorthin zu transportieren, wo man es nutzen könnte, sagt Energie-Experte Steffen Bukold, Chef des unabhängigen Forschungs- und Beratungsbüros Energy-Comment in Hamburg. Abfackeln sei dort, wo es erlaubt sei, eine sehr billige Option, bestätigt McGlade. Das ist der Hauptgrund, warum es trotz Weltbank-Initiative keine Fortschritte gibt.
In den meisten Fällen finden es die Firmen zu teuer, das Gas dorthin zu transportieren, wo man es nutzen könnte.
Nicht abfackeln, sondern ganz verbrennen
Was umso schwerer wiegt: Rund die Hälfte der Methan-Emissionen aus dem Flaring könnte vermieden werden, schätzt die Energie-Agentur. Man müsste das entweichende Gas nur vollständig und damit klimafreundlicher verbrennen.
Doch das sei nicht der Fall, sagt auch Experte Bukold: «Es würde etwa schon reichen, die Anlagen regelmässig zu warten oder zu reparieren. Denn oft ist es nur Nachlässigkeit oder ein gewisses Desinteresse an den Schäden.» Dabei wäre das technisch gar nicht aufwändig.
Hoffen auf Investoren
McGlade hofft jetzt auf Druck vom Finanzmarkt, um das Problem zu lösen: «Investoren werden bei der Finanzierung neuer Energie-Projekte vorsichtiger. Sie werden Öl- und Gasprojekte nur noch finanzieren, wenn sie die Klimarisiken im Griff haben. Das zeigt sich schon jetzt im Kohlesektor – und vielleicht auch bald beim Gas.»
Investoren werden bei der Finanzierung neuer Energie-Projekte vorsichtiger. Sie werden Öl- und Gasprojekte nur noch finanzieren, wenn sie die Klimarisiken im Griff haben.
Hoffnung kommt auch aus der EU. Bei Erdgas- und Ölimporten will sie künftig stärker auf den ökologischen Fussabdruck achten – auch schon bei der Förderung und beim Transport. Importe von Erdöl bei zu hohen Methan-Emissionen sollen notfalls sanktioniert werden, zum Beispiel durch Steuern.