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Gegen Solaranlagen-Wildwuchs Ein Label à la Minergie für «gute» Fotovoltaik in den Bergen

Beim Bau von Solaranlagen in den Alpen gilt «de Schneller, isch de Gschwinder». Kann ein Label Konflikte entschärfen?

Mit dem Label Minergie definierten die Erfinder 1994, was energiesparsame Gebäude sind und schufen damit einen Markt für solche. Wer das Label hat, profitiert von erleichterten Verfahren. Ähnliches erhofft sich Ruedi Kriesi, der Mitbegründer von Minergie, vom neuen Label «Solalpine».

Der Minergie-Standard habe die ganze Energieverbrauchswelt und die öffentliche Meinung beeinflusst, sagt Kriesi. «Wir erhoffen uns ein bisschen eine ähnliche Situation jetzt mit einem Standard für gute Fotovoltaikanlagen.»

Nicht überall Anlagen bauen

Der Ingenieur ist Präsident der IG Solalpine, die das Label entwickelt. Vizepräsident ist der Jurist und langjährige Geschäftsführer der Elektrizitätskommission Elcom, Renato Tami.

Geschützte und unberührte Landschaften sind für Fotovoltaikanlagen tabu.
Autor: Renato Tami Vizepräsident der IG Solalpine, ex-Geschäftsführer der Elcom

Um mit dem Label gekennzeichnet zu werden, müsse eine alpine Solaranlage die Standortprüfung überstehen, sagt Tami. «Geschützte und unberührte Landschaften sind tabu.» Ausserdem sei ein Anschluss ans Stromnetz in der Nähe wichtig.

Aber auch beim Bau schaue man genau hin: «Da denken wir vor allem an Umweltkriterien, die erfüllt werden müssen.» Es gehe um Landschaftsschutz, aber auch um Nachhaltigkeit bei den verwendeten Materialien. Bereits bei der Erstellung müsse zudem der Rückbau der Anlage am Ende der Lebensdauer geplant werden.

Schliesslich sei der Einbezug der lokalen Bevölkerung wichtig. Diese solle sich am Betrieb der Anlage beteiligen und selbst vom lokal produzierten Strom konsumieren können.

Geld für die Grundeigentümer

Ausserdem will die IG Solalpine, dass die Grundstückeigentümer eine Entschädigung erhalten – ein Rappen pro produzierter Kilowattstunde Strom. Tami: «Bei einer Anlage von der Grössenordnung 30 bis 40 Megawatt sind das schnell einige 100'000 Franken pro Jahr.»

Noch sind die Kriterien nicht fix. Solalpine will im bündnerischen Disentis und Ilanz selbst je eine Anlage bauen und dabei das Label konkretisieren.

Die Politik hat aus meiner Sicht versagt.
Autor: Raimund Rodewald Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz

Neben Elektrizitätsunternehmen werden auch Naturschutzorganisationen in diesen Prozess miteinbezogen. Und diese zeigen sich angetan. So ist das Label für Raimund Rodewald, Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz, eine Chance, die wirklich guten Projekte zu fördern und die schlechten auszuschliessen. Allerdings: «Es ist nur die zweitbeste Lösung, weil die Politik aus meiner Sicht versagt hat.»

Kaum Einschränkungen von Seiten der Politik

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Die politischen Vorgaben für die Förderung einer alpinen Solaranlage sehen einzig vor, dass sie mindestens zehn Gigawattstunden Strom pro Jahr produzieren und damit vor Ende 2025 beginnen muss.

Die Naturschutzorganisationen hätten nur schon aus Kapazitätsgründen ein Interesse an einem Mindeststandard-Label, so Rodewald. Man sei mit so vielen Anfragen für mögliche Projekte konfrontiert, dass man sie kaum bewältigen könne. «Deshalb ist ein Koordinationsgremium wie die IG Solalpine sehr wünschenswert.»

Was ist mit Gondosolar und Grengiols?

In Kürze wird das Bundesamt für Energie definitiv bekannt geben, wie der Bund Fotovoltaik-Anlagen in den Bergen subventionieren will. In den Wochen und Monaten danach werden voraussichtlich Dutzende Projekte öffentlich werden. Man darf gespannt sein, wie viele davon sich um das Label Solalpine bemühen.

Zwei der bisher am meisten diskutierten Projekte – Gondosolar und Grengiols im Wallis – dürften kaum in die Kränze kommen. Denn zu wertvoll scheint die Natur dort, wo sie gebaut werden sollen – und zu aufwändig der Anschluss ans Stromnetz.

Rendez-vous, 3.3.2023, 12:30 Uhr

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