Worum geht es beim «Bonusgraben»? 13 Milliarden Franken: So gross ist der Graben punkto Boni zwischen den Geschlechtern in der Schweiz gemäss dem aktuellen «Gender Intelligence Report». Die Studie vom Gleichstellungsverband Advance und der Universität St. Gallen (HSG) hat Gehälter und Boni der Schweizer Erwerbstätigen im Jahr 2022 untersucht. Das Resultat: Männer erhielten in diesem Zeitraum im Durchschnitt 54 Prozent mehr Boni ausbezahlt als Frauen. Auf alle erwerbstätigen Frauen und Männer hochgerechnet, entsteht so eine Boni-Differenz von etwa 13 Milliarden Schweizer Franken.
Was sind die wichtigsten Gründe für diese Differenz? Der «Bonusgraben» scheint vor allem ein «Machtgraben» zu sein. In der Studie wurde auch untersucht, wie viele Männer und Frauen Positionen mit Führungsverantwortung bekleiden. Denn – so die Annahme –, wer Personalentscheidungen trifft, prägt Strategie und Finanzströme eines Unternehmens. Das Resultat: Drei Viertel der Positionen mit Führungsverantwortung werden nach wie vor von Männern eingenommen. Und das sind tendenziell auch die Positionen, die punkto Einfluss und Salär am attraktivsten sind.
Wann entsteht der Gap? Bei unter 30-Jährigen scheint es den Machtgraben noch nicht zu geben, Männer und Frauen werden zu fast gleichen Teilen für Führungspositionen rekrutiert. Danach ändert sich das Bild: Männer werden viel häufiger für Führungspositionen berücksichtigt als Frauen.
Die Schere öffnet sich also just in dem Alter, in dem für viele die Familiengründung zum Thema wird. Das dürfte kein Zufall sein. Denn ein Vollzeitpensum scheint fast immer Voraussetzung für eine Führungsposition zu sein, auch das zeigt die Studie. 82 Prozent aller Beförderungen in Führungspositionen entfallen auf Angestellte mit Vollzeitpensum, nur 3 Prozent auf Pensen unter 80 Prozent. Und während gemäss dem Bundesamt für Statistik (BfS) 78 Prozent der erwerbstätigen Mütter Teilzeit arbeiten, sind es bei den Vätern nur 12 Prozent.
Weshalb ist der Gap ein Problem? Wer wird eingestellt, gefördert, befördert: Die Mehrheit dieser Entscheidungen wird noch von Männern getroffen. Das sei ein Problem, sagt Ines Hartmann. Rollenvorstellungen und Stereotype würden zementiert. «Das führt dazu, dass Unternehmen einerseits weniger Frauen in Führungspositionen sehen, aber sich natürlich auch die Frauen selbst weniger in Führungspositionen sehen», sagt sie.
Das Bild des typischen Managers, der 150 Prozent verfügbar, der grosse Held, der starke Mann ist, das müssen wir verändern.
Was könnte man dagegen tun? Unternehmen sollten darauf achten, Frauen frühzeitig in Führungspositionen zu bringen, rät Studienautorin Hartmann. Etwa, indem sie ihnen ermöglichen, über Projektleitungen erste Führungserfahrungen zu sammeln und zu merken: «Das ist etwas, das mir liegt, das ich auch gerne machen möchte.»
Auch an der Art der Führung müsse gerüttelt werden: «Das Bild des typischen Managers, der 150 Prozent verfügbar, der grosse Held, der starke Mann ist, das müssen wir verändern.» Etwa, indem Führung auf mehrere Schultern verteilt werde und auch Mitarbeitende die Möglichkeit erhielten, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen.