«Wir wollen allgemeine Lohnerhöhungen auf breiter Front statt einer ‹Pflästerlipolitik› mit Einmalgutschriften oder Einkaufsgutscheinen», sagt Michel Lang, der beim Kaufmännischen Verband Schweiz für das Dossier Sozialpartnerschaft zuständig ist.
In den vergangenen Jahren hätten viele Unternehmen und Branchen die Teuerung nicht oder nur teilweise ausgeglichen, sodass nun vielerorts Nachholbedarf bestehe.
«Fünf Prozent Reallohnverluste»
«Seit 2021 kumulieren sich diese Reallohnverluste auf über drei Prozent, wenn die Teuerung nicht ausgeglichen wurde», rechnet Lang vor. «Hinzu kommt die erwartete Teuerung von 1.4 Prozent fürs laufende Jahr. Und wenn wir noch eine Reallohnerhöhung von 0.5 Prozent nehmen, sind wir bei fünf Prozent.»
Das klinge nach viel, doch dem KFMV gehe es nicht darum, mit kämpferischen Tönen in die Lohnverhandlungen zu steigen. Dort, wo in den letzten Jahren die Teuerung ausgeglichen worden sei, seien auch die Lohnforderungen niedriger.
Swiss als «Negativbeispiel»
So hat laut dem Kaufmännischen Verband in der letzten Lohnrunde etwa der Detailhändler Lidl die Lohnsumme um über drei Prozent erhöht und bei tiefen Löhnen zusätzliche Verbesserungen gewährt. Als Negativbeispiel gilt dem Verband hingegen die Fluggesellschaft Swiss, die dem Bodenpersonal für 2024 nur eine generelle Lohnerhöhung um 1.4 Prozent plus individuelle Lohnerhöhungen angeboten hat.
Einen generellen Teuerungsausgleich lehnte das Unternehmen ab, sodass der Kaufmännische Verband enttäuscht schrieb: «Während der Gewinn der Swiss abhebt, bleibt das Angebot für das Bodenpersonal am Boden stehen.»
Wenig Stellen im Büro frei
Anderseits ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt für das kaufmännische Personal schwierig. Laut dem aktuellen Adecco-Stellenmarktindex ist die Zahl der ausgeschriebenen Stellen für Bürofachkräfte – also für Sekretäre, Schalterbeamte oder Sachbearbeiterinnen – innert Jahresfrist um einen Fünftel gesunken.
Zudem dürfte die weitere Entwicklung der Künstlichen Intelligenz ebenfalls einen grossen Einfluss auf den Arbeitsmarkt im Bürobereich haben. So zeigt eine Umfrage von Deloitte vom August 2023, dass 43 Prozent der Befragten angeben, sie seien besorgt, ihren Job wegen des zunehmenden Einsatzes von KI-Programmen zu verlieren.
KI als Chance
Müsste man deshalb nicht zurückhaltender sein, anstatt mit hohen Lohnforderungen dem drohenden Stellenabbau gar noch Vorschub zu leisten? Nein, meint Michel Lang vom Kaufmännischen Verband. KI könne auch eine Chance sein, indem die Produktivität der Angestellten steige.
«Die KI wird nicht generell zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen. Es wird aber Veränderungen im Arbeitsalltag geben. Deshalb sollten die Arbeitgeber mehr in die Weiterbildung investieren, um die Angestellten mit der KI und ihren Anwendungen vertraut zu machen.»