In den Verhandlungen mit der EU gibt es diverse Knacknüsse. Zentral ist etwa der Lohnschutz für ausländische Arbeitskräfte, die temporär in der Schweiz arbeiten. Sie arbeiten vornehmlich in der Industrie, im verarbeitenden Gewerbe und traditionell auf dem Bau.
Im Kern des Streits mit der EU geht es um vier Punkte:
1. Die Regeln zur Hinterlegung einer Kaution für Firmen aus der EU, wenn sie ihre Angestellten in die Schweiz entsenden, sollen gelockert werden.
Die Kaution ist quasi ein Pfand und kann bei Lohndumping eingezogen werden. Brüssel will nun, dass künftig nur noch Wiederholungstäter eine solche Kaution leisten müssen. Das lehnen die Gewerkschaften ab.
Die Arbeitgeber indes könnten sich eine Aufweichung des Kautionsregimes vorstellen. Die EU zeige sich in diesem Punkt stur, deshalb brauche es von Schweizer Seite eine Alternative, sagt Roland Müller, Direktor des Arbeitgeberverbands: «Man könnte beispielsweise die Strafen im Fall einer Lohnunterbietung erhöhen.»
Einig sind sich Gewerkschaften, Arbeitgeber und Branchenverbände bei den Kontrollen, zum Beispiel auf Baustellen. Diese sollen häufig und wirksam sein.
2. Dienstleistungssperre. Verstösst ein ausländisches Unternehmen gegen die hiesigen Lohn- und Arbeitsbestimmungen, können die Kantone neben Bussen der fehlbaren Firma bis zu fünf Jahre lang verbieten, weiterhin in der Schweiz tätig zu sein. Auch dieses Regime will die EU aufweichen.
«Heute ist dies das einzige Instrument für die Kantone, fehlbare Betriebe wirklich zu bestrafen», betont Gewerkschafterin Campanello. Es dürfe auf keinen Fall geschliffen werden. Dem pflichten die Arbeitgeber bei. Die aktuelle Regelung habe sich bewährt, geändert werden müsse deshalb nichts, betont Arbeitgeberverbandsdirektor Müller.
Aus Sicht der Sozialpartner ist der Fall also klar. Der Bundesrat darf in diesem Punkt Brüssel keine Zugeständnisse machen.
3. Spesenregelung. Die EU will Länder wie etwa Polen nicht dazu verpflichten, ihren Angestellten eine Übernachtung zu Schweizer Preisen zu finanzieren. Stattdessen müssten sie nur Spesen in der Höhe bezahlen, die in Polen üblich sind.
Dadurch wären Schweizer Firmen weniger konkurrenzfähig, weil die polnische Firma einen besseren Preis bieten könnte. Hier wehren sich die Sozialpartner unisono gegen das EU-Regime und fordern vom Bundesrat, diese Regel nicht zu übernehmen.
4. «Nicht-Regressions-Klausel»: Damit will Brüssel der Schweiz garantieren, dass der hiesige Lohnschutz nach Unterzeichnung des Vertrags nicht durch Gerichtsurteile oder Gesetzesänderungen in der EU unterboten wird.
Diese Klausel wurde in den vergangenen Wochen konkretisiert, über sie wird kaum gestritten. Die Arbeitgeber sehen die Klausel als künftigen Schutz, die Löhne in der Schweiz abzusichern.
Das klinge gut, sei aber eine Scheinsicherheit, sagt Gewerkschafterin Campanello. «Diese Regelung würde ja erst zum Zug kommen, nachdem die Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie die Instrumente zuvor aufgeweicht wurden.» Dann sei die Klausel kaum mehr von Bedeutung.
Gesucht: gemeinsame Position
Brüssel möchte, dass die Verhandlungen bis zum Sommer 2024 abgeschlossen sind. Das ist auch ganz im Sinne der Sozialpartner. Doch das Ringen um eine gemeinsame Position beim Lohnschutz dürfte sich weiter hinziehen.