Das Wichtigste in Kürze:
- Visana bezahlt Vermittlerprovisionen von bis zu 1500 Franken für einen neuen Abschluss in der Grundversicherung.
- Das übersteigt bisher bekannte Beträge um ein Vielfaches. Branchenüblich ist ein Maximalbetrag von lediglich 50 Franken.
- Visana sagt: Die Ansätze seien marktüblich.
- Gesundheitspolitiker reagieren konsterniert. Solche Provisionen seien inakzeptabel.
«Kassensturz» wurden viele vertrauliche Dokumente der Krankenkasse Visana zugespielt. Unter anderem aktuelle Provisionslisten, gültig ab 1.1.2017. Darin regelt die Kasse ganz genau, wieviel Geld – also Provision – die Krankenkassen-Vermittler für welchen Abschluss erhalten. Viel Geld kassieren sie erst, wenn sie Kunden Grund- und Zusatzversicherungen verkaufen.
Visana foutiert sich um Branchen-Vereinbarung
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Das Ausmass der Provisionen sprengt den bisher bekannten Rahmen bei weitem: Visana zahlt den Vermittlern für einen neuen Kunden in der Grundversicherung direkt 250 Franken. Das sind fünfmal mehr als branchenüblich.
Vor knapp zwei Jahren einigten sich viele Krankenversicherer darauf, für einen Grundversicherten maximal 50 Franken zu bezahlen. Der Krankenkassenverband Santésuisse wollte mit dieser Vereinbarung den steigenden Prämien und dem politischen Druck auf die Versicherer entgegenwirken. Doch Visana, ebenfalls Mitglied bei Santésuisse, unterschrieb als einzige grosse Krankenkasse diese Vereinbarung nicht.
Was die Krankenkasse verschweigt
Was Visana bisher verschwiegen hat: Über die sogenannte Pauschalentschädigung zahlt sie oft noch viel mehr Provisionen. Diese fliessen indirekt.
So funktioniert das System: Maklerfirmen haben mit Visana zusätzlich einen Spezialvertrag. Erzielt die Firma mehr als 4000 Abschlüsse pro Jahr, zahlt Visana zusätzlich bis zu 1250 Franken pro Abschluss, als Pauschalentschädigung. Der Vermittler kassiert somit pro neuem Abschluss in der Grundversichung bis zu 1500 Franken.
Visana wollte sich zu den Recherchen zunächst gar nicht äussern. Weder schriftlich noch mündlich. Erst als «Kassensturz» die Versicherung mit ihren eigenen Dokumenten konfrontierte, gab die Kasse zu, dass die Fakten und Zahlen stimmen und betonte, dass diese marktüblich seien.
Schliesslich nimmt Verwaltungsratspräsident und BDP-Nationalrat Lorenz Hess in einem Interview Stellung. Er hält fest, dass nicht in jedem Fall solch hohe Provisionen fliessen: «Die hohen Zahlen gibt es dort, wo ein Abschluss in der Grundversicherung zusammen mit der Zusatzversicherung gemacht wird. Dort ist auch eine Mehrleistung dahinter.» Visana brauche jedes Jahr neue Versicherte, um Abgänge zu ersetzen. Auch die Kundenanwerbung durch interne Mitarbeiter würde kosten. «Wir haben das Gefühl, dass wir mit den externen Vermittlern gut fahren», so Lorenz Hess.
Parlamentarier finden: «Nicht akzeptabel»
Service:
Gesundheitspolitikern im Parlament stossen die exzessiven Provisionen der Visana sauer auf. Mit den Zahlen konfrontiert, reagieren sie alle konsterniert über die hohen Summen. SVP-Nationalrat Ueli Giezendanner, Vizepräsident der Krankenkasse KPT, sagt, so hohe Summen für einen Krankenkassenwechsel seien nicht seriös: «Ich würde dies für die KPT nicht akzeptieren. So können sie gezielt vorgehen und nur noch die guten Risiken versichern. Genau das wollen wir nicht», so der Aargauer SVP-Nationalrat.
Die schädliche Jagd nach guten Risiken, also meist jungen, gesunden Versicherten, die wenig Kosten verursachen, stört auch Joachim Eder von der FDP. Er ist Vizepräsident der Gesundheitskommission des Ständerats. «Ich bin davon ausgegangen, dass sich die Krankenkassen an ihren Ehrencodex halten. Das ist ein Eigengoal.»
Bundesrat soll Branche regulieren
SP-Ständerätin Pascale Bruderer geht noch weiter. Für sie ist die Visana der Beleg, dass die Selbstregulierung nicht funktioniert. Sie fordert eine andere Lösung: «Man könnte dem Bundesrat die Möglichkeit geben, einzuschreiten und eine Höchstgrenze festzusetzen. Maximal 50 Franken», schlägt Pascale Bruderer vor. So bremse man die Jagd nach guten Risiken und erhalte die Beratungsqualität.
Parlamentarier und ihre Meinung:
Hohe Provisionen führen zu schlechter Beratung. Diesen Fehlanreiz stellt selbst Visana-VR-Präsident Lorenz Hess nicht grundsätzlich in Abrede: «Dass der Vermittler, wenn er wählen kann, dort einen Abschluss macht, wo für ihn am meisten rauszuholen ist, ist klar. Er ist ein Kleinunternehmer, eine Einzelfirma», so Hess. Entscheidend sei, dass er die Modelle kenne, die er anbiete. Die Kunden könnten ja immer noch Prämien vergleichen und anderswo abschliessen.
Visana zahlt Millionen
Fakt ist: Aus den vertraulichen Unterlagen, die «Kassensturz» vorliegen, geht ebenfalls hervor: Schon 2016 belohnte Visana die Makler mit diesem System. Aufgrund der Anzahl der gemachten Abschlüsse durch die Maklerfirmen lässt sich schätzen, wieviel Provision Visana ausbezahlt hat: Vorsichtig gerechnet sind es rund 40 Millionen Franken – allein für Abschlüsse in der Grundversicherung.
Der Verband Santéseuisse, dem Visana angehört, sagt zu den hohen Provisionssummern, dies sei ein geschäftspolitischer Entscheid des Versicherers. Zur Aussage, so hohe Provisionen seien marktüblich, schreibt der Verband: «Mit unserer Vereinbarung wird die Provision für einen Abschluss in der Grundversicherung auf 50 Franken begrenzt. Wir gehen davon aus, dass die Mitglieder, die diese Vereinbarung unterzeichnet haben, diese einhalten.»