Es ist ein schweres Erbe, das Pierin Vincenz der Raiffeisen-Bank hinterlassen hat – das zeigen auch die neusten Geschäftszahlen der Banken-Gruppe. So hat Raiffeisen im vergangenen Jahr zwar mehr Geld verwaltet – und auch mehr Hypothekar-Kredite vergeben. Der Gewinn allerdings ist wegen Sondereffekten eingebrochen: Gemeint sind Wertberichtungen auf Beteiligungen aus der Ära Pierin Vincenz.
Trotzdem sind die Kunden der Bank nicht davongelaufen – sie haben im Gegenteil mehr Gelder angelegt. Wirtschaftsredaktorin Maren Peters erklärt warum.
Kunden haben letztes Jahr der Bank Neugelder in der Höhe von 6,3 Milliarden Franken anvertraut. Wie passt das zum Gewinneinbruch?
Das Vertrauen der Kunden in die dezentralen Genossenschaftsbanken ist offenbar nach wie vor vorhanden. Man kennt sich ja, man kennt die Bankchefs.
Und die Kundschaft kann offenbar unterscheiden zwischen der Zentrale in St. Gallen, in der Pierin Vincenz lange Jahre ungebremst geherrscht hat, und den kleineren, bodenständigeren Filialen.
Zugelegt hat die Raiffeisen-Gruppe erneut bei der Vergabe von Hypotheken. Diese expansive Vergabepolitik wird nicht nur vom Präsidenten der Nationalbank, von Thomas Jordan, seit Jahren kritisiert. Wie risikoreich ist das für Raiffeisen?
Dieser Fokus stellt ein Klumpenrisiko dar, wenn es in den nächsten Jahren zu einer Immobilien- oder Arbeitsmarktkrise kommt, und dann vielleicht viele Hypothekarkredite nicht mehr bedient werden können. Dann hat die Raiffeisenbank ein Problem.
Und sie ist ja inzwischen eine systemrelevante Bank. Das heisst: Wenn die Raiffeisenbank in Schieflage gerät, dann muss der Staat sie retten – und damit die Steuerzahler.
Und der Blick in die Zukunft: Wie gut ist die Bank für die Zeit nach der Ära Vincenz aufgestellt?
Die Raiffeisen steht ziemlich gut da. Sie wächst im Bankgeschäft, die Kunden vertrauen ihr weiterhin Geld an – im letzten Jahr sogar Neugeld. Und trotzdem gibt es noch einige Baustellen, die bearbeitet werden müssen.
Bei den 250 Raiffeisen-Genossenschaften ist in der Ära Vincenz viel Vertrauen verloren gegangen, sie fordern von der Zentrale wieder mehr Macht zurück. Dann läuft die Informatik nicht so, wie sie eigentlich sollte. Und die Finanzmarktaufsicht drängt auf die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Denn für diese gibt es strengere Gesetze zur Kontrolle der Unternehmensführung. Das alles schwebt im Raum.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.