Verpackungen aus Plastik sind günstig, hygienisch und vielseitig verwendbar. Doch Plastik aus fossilen Rohstoffen belastet die Umwelt. Wenn Unternehmen vermehrt auf Verpackungen aus Plastik verzichten, setzen sie meistens auf Papier oder Karton. Die Folge: Die Zellulose aus Holz, aus der in der Regel Papier gewonnen wird, wird knapper und teurer. Und je nachdem muss auch mehr Waldfläche gerodet werden.
In einer europäischen Stadt fallen durchschnittlich 8 Millionen Tonnen Laubblätter an.
Oleksandr Sobolenko setzt für sein Papier auf eine andere Zellulosequelle, auf eine, die im Herbst tonnenweise auf den Strassen liegt – Blätter: «Unsere Schätzungen haben ergeben, dass in einer durchschnittlichen europäischen Stadt 8 Millionen Tonnen Laubblätter pro Jahr anfallen. In Städten wie Paris oder Berlin sind es rund 50'000 Tonnen, in grüneren Städten wie Kiew gar 200'000 Tonnen.»
Erfindung als 16-Jähriger
Auf diese Blätter setzt der ukrainische Unternehmer. Auf die Idee gekommen ist Oleksandr Sobolenkos Geschäftspartner Valentyn Frrechka. Vor sieben Jahren war dieser gerade 16 Jahre alt. «Er hat als Hausaufgabe für den Biologieunterricht Untersuchungen durchgeführt und nach einer neuen Zellulosequelle gesucht – und auch gefunden.» Mit Blick auf die heimischen Wälder in den Karpaten habe er sich gesagt: Wenn Bäume Zellulose liefern, müssten das doch auch deren Blätter.
Kurz darauf stand das Verfahren, mit welchem sie nun sowohl Plastik vermeiden, als auch den Holzbedarf für Papier reduzieren wollen. Die Blätter würden zwar in Europa grösstenteils im Herbst von den Bäumen fallen. Sie könnten aber eingelagert werden.
Ziel sind 500'000 Tonnen Laub
Die erste Produktionsanlage von Releaf Paper steht in Les Mureaux in Frankreich und soll 10'000 Tonnen Laub verarbeiten können, weitere Anlagen sollen folgen, erst in den Niederlanden, dann auch in den USA oder Japan. Bis in 10 Jahren will das Unternehmen 500'000 Tonnen Herbstlaub zu Papier verarbeiten können.
Aus Herbstlaub wird Papier
Allerdings: Will Releaf ihre Produktion ausbauen, könnten ihnen gerade in Westeuropa die Blätter ausgehen. «Wir haben die verfügbare Menge an Laubblättern in Westeuropa überschätzt.» Deshalb forschen sie nun auch mit anderen Grünabfällen. «Wir haben Tests mit Gurkenstauden aus den Niederlanden gemacht, ebenso mit Ananasstauden aus dem Exportland Costa Rica. Die Resultate sind fast besser als mit Laub.»
Potenzial von Palmwedeln und Ananas
Grundsätzlich könnten sie ihr Papier aus jeglichen Grünabfällen herstellen. Gerade im globalen Süden eröffne das ein grosses Potenzial, sagt Sobolenko. «In Europa werden Grünabfälle in der Regel gesammelt und verwertet. Nicht so in tropischen Ländern, wo es Unmengen Grünzeug gibt.»
Noch ist das Papier aus Grünabfällen teurer als Plastik und das klassische Papier. Oleksandr Sobolenko will aber bis in zehn Jahren günstiger sein als Papier aus Holzzellulose.
Kein FSC-Label
Und er will sich neue Absatzmärkte erschliessen: Sein Papier aus Abfall soll auch für hygienische Verwendungen zertifiziert werden – oder gar für den Gebrauch für Lebensmittel. Da sei das Interesse der Industrie besonders gross.
Allerdings: Ein in der Papierbranche wichtiges Zertifikat fehlt Sobolenko nach wie vor. Wer Zellulose aus nachhaltiger Forstwirtschaft verwendet, erhält auf seinem Papier das FSC-Label. Dem Papier aus Grünabfällen und Herbstlaub blieb dieses Nachhaltigkeitszertifikat bislang verwehrt.