Latif, 23, ist Afghane und seit fünf Jahren ist er in der Schweiz. Mitten in der Coronakrise hat der Geflüchtete eine Stelle gefunden – in der Solarbranche. Das ist kein Zufall.
Zusammen mit drei anderen jungen Männern arbeitet Latif auf einem Firmendach im Zürcher Oberland. Eine mittelgrosse Solaranlage wird hier installiert. Insgesamt 748 Photovoltaik-Module müssen die Mitarbeiter der Firma Sunconnect festmachen und verkabeln. Latif gefällt sein Job: «Gute Leute, gutes Team. Alles tipptopp», meint er.
Anfängliche Skepsis
Im Sommer ist er auf die Nichtregierungsorganisation Solafrica aufmerksam geworden. Diese hat für ihn eine einwöchige Ausbildung organisiert und ihm einen Praktikumsplatz bei Sunconnect vermittelt. Dieter Baumann, Inhaber und Chef des Unternehmens, war zunächst skeptisch, ob das klappen würde mit einer Festanstellung. Festangestellte müssen bei ihm in der Regel besser qualifiziert sein. Sie sollten Solaranlagen nicht nur bauen, sondern auch planen können. Einen Praktikumsplatz aber hat Baumann dem jungen Afghanen angeboten, und es nicht bereut. «Bei Latif war nach einer Stunde klar: Der will, der kann.»
Und so hat er ihn eingestellt – auch weil sein Geschäft boomt. Noch vor einem Jahr habe er mit zwei Mitarbeitern Solaranlagen montiert, so Baumann, heute sind es doppelt so viele und er sucht weiter nach Mitarbeitern, denn das Geschäft mit Solaranlagen leide nicht unter der Coronakrise, im Gegenteil: «Architekten hatten Zeit. Elektro-Planer hatten Zeit, Immobilien-Besitzer waren mehr zu Hause – alle hatten Zeit. Plus in der Bevölkerung ist mittlerweile, glaube ich, angekommen: Wir müssen etwas machen, so kann es nicht weitergehen.»
Auch in der IT-Branche gesuchte Leute
Überall in der Solarbranche werden aktuell Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht. Laut einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften könnten in den kommenden Jahren rund 14’000 Arbeitslose im Solar-Anlagenbau beschäftigt werden – auch Geflüchtete.
Für diese sind die Hürden in der Branche aktuell tief. Es gibt noch keine Lehre, noch keine Fähigkeitsausweise, für die Vorkenntnisse wichtig sind. Dank dem Projekt «Refugees go solar» der NGO Solafrica haben 2020 neben Latif noch 14 weitere junge Geflüchtete eine Stelle gefunden.
Eine andere Branche, in der die Arbeitsintegration von Geflüchteten derzeit oft gelingt, ist die IT. Bei Webdesignern und Programmieren ist allerdings mehr Fachwissen gefragt. Viele Geflüchtete bringen dieses mit. Sie finden auch deshalb leichter eine Stelle als anderswo, weil die Programmiersprachen universell, Deutsch und Französisch weniger wichtig sind.
Gegentrend: Gastronomie
Beide Branchen sind noch in Nischen. Viel wichtiger für die Arbeitsintegration war bisher die Gastronomie. Dort arbeiten Geflüchtete in Service und Küche. Da viele Betriebe derzeit ums Überleben kämpfen, sind freie Stellen aber rar geworden.
Grundsätzlich zeigt sich bei der Integration von Geflüchteten – wie auf dem gesamten Arbeitsmarkt – je besser die Ausbildung, desto grösser die Chancen. Der Bund setzt deshalb im Rahmen der «Integrationsagenda» seit zwei Jahren auf «Arbeit durch Bildung». Mitte des kommenden Jahres soll eine erste Bilanz gezogen werden.