Ein kalter Februartag im Jahr 2023 – und der Schweiz geht der Strom aus. Das ist ein Szenario, das der Schweiz durchaus drohen könnte.
Da in den Wintermonaten die inländische Stromproduktion den Verbrauch in der Schweiz nicht deckt, importiert die Schweiz in dieser Zeit zusätzlichen Strom aus dem Ausland. Das ist seit Jahren eine bewährte Praxis. Im Zuge der Energiekrise steht diese Strategie nun auf wackligen Füssen: Was, wenn die umliegenden Staaten selber zu wenig Strom haben?
Ausländische Anlagen in Schweizer Besitz
In diesem Fall würden auch die ausländischen Wind- und Solaranlagen im Besitz der Schweizer Stromfirmen nichts helfen, ist Urs Meister, Geschäftsführer der Elektrizitätskommission Elcom, überzeugt: «Im Grunde sind die Besitzverhältnisse dieser Anlagen für die Winterstromversorgung der Schweiz nicht relevant.» Die Elcom überwacht die Stromversorgung in der Schweiz.
Anderer Meinung sind die Elektrizitätsunternehmen: «Jede Kilowattstunde, die in Europa produziert wird, ist hilfreich», entgegnet Michael Frank, Direktor des Verbandes Schweizerischer Energieversorger VSE.
Und in der Tat produzieren die Schweizer Stromversorger im europäischen Ausland mit jedem Jahr mehr Strom: In den vergangenen Jahren haben die Firmen quer durch Europa neue Windparks, Solaranlagen und Wasserkraftwerke gebaut oder gekauft.
Welche Daten hat SRF erhoben?
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SRF hat die Daten zu den Kraftwerken der Schweizer Energieversorger im Ausland erstmals 2019 erhoben, damals im Vorfeld der Abschaltung des AKW Mühleberg. Nun haben wir die Daten drei Jahre später aktualisiert. Die Zahlen mit Stand November 2022 basieren auf direkten Rückmeldungen der Stromunternehmen und/oder auf öffentlich zugänglichen Quellen wie Geschäftsberichten.
Wie bei der erstmaligen Auswertung sind auch dieses Mal alle Anlagen erfasst, die in Betrieb, betriebsbereit oder im Bau sind. Nicht in die Statistik eingeflossen sind Projekte, die sich erst im Entwicklungsstadium befinden oder bei denen die juristischen Verfahren noch nicht abgeschlossen sind.
Installierte Leistung und produzierte Strommenge
SRF hat in der aktualisierten Erhebung sowohl die installierte Leistung der ausländischen Solar- und Windanlagen, sowie der Wasserkraftwerke erhoben (in Megawatt) als auch die damit produzierte Strommenge (in Terawattstunden). Ein Vergleich der installierten Leistung ist geeigneter, um den Zubau dokumentieren zu können. Die produzierte Strommenge hingegen wird stark durch Wettereinflüsse beeinflusst: So können beispielsweise windschwache Wintermonate oder eine überdurchschnittliche Schönwetterperiode die produzierte Strommenge erheblich beeinflussen.
Inzwischen verfügen diese Kraftwerke über eine installierte Leistung von rund 4600 Megawatt (MW), wie Recherchen von Radio SRF zeigen. Damit produzieren sie eine Strommenge von knapp neun Terawattstunden. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von rund zwei Millionen Haushalten. Zum Vergleich: Das Kernkraftwerk Leibstadt, das leistungsstärkste AKW der Schweiz, verfügt über eine Leistung von 1200 MW.
Die Expansion ins Ausland haben die Schweizer Stromkonzerne in der Vergangenheit aus zwei Gründen forciert: Wegen der Profite und der juristischen Blockaden.
Innerhalb der Schweiz stossen neue Windparks oder höhere Staumauern auf Widerstand. «Die letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass die meisten Projekte in der Schweiz blockiert wurden», klagt VSE-Direktor Frank.
Anders die Situation im Ausland: Dort lassen sich neue Projekte einfacher umsetzen. Zudem haben viele europäische Staaten neue Kraftwerke finanziell gefördert. «Diese Programme haben es möglich gemacht, solche Anlagen profitabel zu realisieren», sagt beispielsweise Andy Heiz, stellvertretender Chef der Axpo.
Solar-Grossprojekte in den Alpen
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Jenseits des Simplons, hoch über dem Dorf Gondo soll auf sonnigen Alpweiden schon bald das grösste Solarkraftwerk der Schweizer Alpen Strom für 5000 Haushalte liefern. Geschätzte Kosten für die Anlage: 42 Mio. Franken. Nebst vielen Sonnenstunden gibt es dort oben selbst im Winter kaum je Nebel. Zudem reflektiert der Schnee das Sonnenlicht zusätzlich. Deshalb könnte eine solche Anlage gerade im Winter vergleichsweise viel Strom liefern. Und das ist genau dann, wenn die Schweiz mehr verbraucht als sie selber produziert.
In der Herbstession hat das Parlament die Hürden für solche Projekte – ein noch viel grösseres Solarkraftwerk soll in Grengiols im Walliser Saflischtal gebaut werden – stark gesenkt. Wieso es trotzdem noch Jahre dauern dürfte, bis die solaren Alpenkraftwerke ans Netz gehen, hören Sie in der Reportage aus Gondo.
Angesichts einer drohenden Strommangellage könnte sich dieser Fokus aufs Ausland nun als Bumerang für die Schweiz erweisen, befürchtet die Elcom. Deshalb plädiert die Behörde auch seit Jahren für einen verstärkten Ausbau der inländischen Stromproduktion. Bislang erfolglos.
Erst die aktuelle Energiekrise hat die Politik aufgeschreckt. Vor diesem Hintergrund ist die Elcom jetzt froh, dass die Versorgungssicherheit inzwischen auch in der Politik in den Vordergrund gerückt ist. «Das Parlament ist daran, Korrekturen vorzunehmen», stellt Urs Meister von der Elcom erfreut fest. So hat das Parlament jüngst eine Solaroffensive gestartet, damit beispielsweise Solaranlagen in den Alpen schneller realisiert werden können.
Stromunternehmen vs. kommerzielle Investoren
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Die Schweizer Energieversorger sind nicht die einzigen Investoren, die im Ausland in erneuerbare Energiequellen investieren. Beispielsweise investieren Fonds, Pensionskassen oder spezialisierte Unternehmen mit privatem Kapital in Wind- und Solarparks.
In diese Kategorie gehören beispielsweise SUSI Partners oder der UBS Clean Energy Infrastructure Fund. Deren Anlagenportfolio wurde in der SRF-Erhebung nicht berücksichtigt, da es sich in der Regel um rein private Investoren handelt und nicht – wie bei den Schweizer Energieversorgern – um Unternehmen in öffentlicher Hand mit einem direkten oder indirekten Versorgungsauftrag.
Eine Ausnahme bildet die Firma Aventron, die grossmehrheitlich im Besitz von mehreren städtischen Energieversorgern ist und bereits auch in die Erhebung von 2019 eingeflossen war.
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