Agrarökonom Lukas Kornherr hat schon früh Verdacht geschöpft: «Wir beobachten bereits seit Mitte 2021 eine erhöhte Beteiligung von Spekulanten am Handel mit Agrarrohstoffen an Warenterminmärkten.» Seit rund zehn Jahren erforscht der deutsche Wissenschaftler Preisschwankungen an den internationalen Nahrungsmittelmärkten.
Er weiss, wenn zu viele Spekulanten am Markt mitmischen, dann heizt das die zurzeit ohnehin hohen Preise für wichtige Agrarrohstoffe wie Weizen, Mais oder Soja noch weiter an. Es gibt klare Signale dafür. Marktstudien zeigen, dass allein in der ersten Märzwoche, also kurz nach Beginn des Ukrainekriegs, so viel Geld in Agrarfonds geflossen ist wie sonst in einem ganzen Monat.
Experten sind besorgt über das Mitmischen von Finanzinvestoren
«Spekulanten spielen auf jeden Fall eine grosse Rolle», sagt Kornherr. Und auch wenn noch nicht ganz klar sei, wie gross ihr Anteil an den aktuellen Preissteigerungen sei: «Wir sind sehr besorgt, dass die Krise innerhalb kürzester Zeit deutlich verstärkt werden kann.»
Auch der Berner Ökonom Gunter Stefan geht davon aus, dass nicht nur Krieg und Knappheit die Preise für Agrarrohstoffe im März auf Rekordniveau getrieben haben. «Man nimmt an, dass die Spekulanten bis zu 30 Prozent am Markt beteiligt sind und die Preise entsprechend hochtreiben.»
Steigende Preise lockten noch mehr Spekulanten auf den Plan, sagt Stefan. Gemeint sind Investoren, die nicht am Weizen oder Mais selbst, sondern nur am Profit aus dem Handel mit Agrarrohstoffen interessiert sind. «Die Geldwirtschaft löst sich ab von der Realwirtschaft. Das ist das grosse Problem. Dann wird es zum Casino.»
Die Casino-Mentalität werde die Preise weiter nach oben treiben, erwartet der Ökonom. Mit gravierenden Folgen, vor allem für arme Länder. Die Welternährungsorganisation warnt bereits, dass der Welt zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder eine Hungersnot drohen könnte.