Es war ein freudiger Moment, als Boris Collardi im August 2017 die Halbjahres-Zahlen präsentierte. Allein das verwaltete Vermögen nahm um 6 Prozent auf 355 Milliarden Franken zu. Ein Rekord. Ein Ergebnis ganz nach dem Gusto des Bankchefs, der von Beginn weg bei der Zürcher Privatbank auf rasantes Wachstum setzte: «Wir haben in unserer 127-jährigen Geschichte noch nie so viel Geld verdient – es läuft extrem gut», freute er sich.
Geldwäscherei-Falle schnappte zu
Weniger nach Geschmack des erfolgsverwöhnten Bankers dürfte hingegen die Tatsache gewesen sein, dass zur gleichen Zeit Mitarbeiter der Finanzmarktaufsicht Finma x-tausende E-Mails und Kundendossiers durchforsteten. Heute ist klar: Julius Bär verwaltete in den Collardi-Jahren Kundengelder in Millionenhöhe von Firmen, die mutmasslich in Geldwäscherei- und Korruptionsfälle verwickelt waren – so vom venezolanischen Ölkonzern Petróleos de Venezuela oder der Fifa. Die Schätzungen belaufen sich auf umgerechnet mehrere 100 Millionen Franken.
Die Finma hat hierfür deutliche Worte. Sie spricht von schweren systemischen Mängeln im Geldwäscherei-Dispositiv und Risikomanagement. Julius Bär habe zudem die Aufarbeitung verzögert, personelle Konsequenzen mit zweijähriger Verspätung umgesetzt, und Fragen der Aufsichtsbehörde unvollständig beantwortet, was eine Verletzung der Auskunftspflicht darstelle, schreibt die Finma in ihrer Stellungnahme.
Schaden von über 100 Millionen Franken für die Bank
Die vergangenen Jahre hat Julius Bär alle ihre Kundendossiers neu dokumentiert. Der Aufwand kostete über 100 Millionen Franken, wie Julius Bär erstmals gegenüber SRF News bestätigt. Das Projekt wurde 2016 unter Boris Collardi lanciert, zeitgleich als die Finma bei der Privatbank erstmals vorstellig wurde.
Die Aufarbeitung der Ära Collardi geht für Julius Bär weiter. Die Finma hat bereits ein neues Aufsichtsverfahren gegen die Bank eingeleitet, welches wiederum Collardis Ära betrifft.
«Erhebliches strafrechtliches Risiko»
Boris Collardi selber steht neu im Visier der Justiz: Die Zürcher Staatsanwaltschaft klärt ab, ob sie gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet. Für Wirtschaftsstrafrechts-Expertin Monika Roth ist klar: «Wenn die Strafverfolgung zum Resultat kommt, dass der Schaden, welche die Bank erlitten hat, kausal auf sein Unterlassen oder sein aktives Tun zurückzuführen ist, hat er ein erhebliches strafrechtliches Risiko.»
Weder Boris Collardi noch sein Anwalt wollten auf Anfrage zum gegenwärtigen Zeitpunkt Stellung nehmen.