Seit der Finanzkrise von 2008 haben Notenbanken Milliarden ins Finanzsystem gepumpt, doch der von den Ökonomen vorausgesagte Inflationsschub ist ausgeblieben. Wie läuft das jetzt, wo die Corona-Krise mit noch viel mehr Geld abgefedert wird?
Schutz des Finanzsystems
Mit einem raschen Teuerungsanstieg sei auch diesmal nicht zu rechnen, sagt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank. Denn das viele Geld komme so schnell gar nicht in der realen Wirtschaft an, also bei Unternehmen und privaten Haushalten: «Ein Grossteil landet am Abend wieder auf den Büchern der Zentralbanken und wird im System gar nicht wirksam», erklärt Stucki.
«Ein Grossteil des vielen Geldes landet am Abend wieder bei den Zentralbanken und wird im System gar nicht wirksam»
Das hängt damit zusammen, dass die Notenbanken vor allem das Finanzsystem am Laufen halten: Die Banken und den Zahlungsverkehr. Sie wollen verhindern, dass die Krise auch das Finanzsystem erfasst. «Ein gut funktionierendes Finanzsystem ist gerade in solchen Krisensituationen eine Grundbedingung, dass die Wirtschaft nicht völlig auseinanderbricht, sondern sich in ein paar Monaten wieder erholen kann», so Stucki.
Der grosse Unterschied zur Finanzkrise
Doch heute sind neben den Notenbanken auch die Regierungen grosszügig und helfen mit Subventionen und Kreditbürgschaften. Darin unterscheidet sich die Corona-Krise von der letzten Finanzkrise.
Geld komme diesmal auch in der Realwirtschaft an, sagt Klaus Wellershoff, Ökonom und Unternehmensberater: «Diesmal steigt das Geld, das wir in der Tasche haben, schon jetzt ganz erheblich an – mit einer historisch nie erlebten Geschwindigkeit.»
Diesmal steigt das Geld, das wir in der Tasche haben, schon jetzt ganz erheblich an – mit einer historisch nie erlebten Geschwindigkeit.»
Und dies dank Firmen Firmenkrediten oder Entschädigungen, beispielsweise für Kurzarbeit. In der Finanzkrise, als primär die Banken wankten, waren solche Zahlungen kaum nötig. Heute hingegen stehen Unternehmen aller Branchen reihenweise unter Druck, samt Angestellten.
Vor allem ihnen werde nun geholfen, um den privaten Konsum zu stabilisieren, so Wellershof: «Dank der Transferzahlungen haben die Menschen mehr Geld . Zugleich konnten sie praktisch nichts ausgeben, weil fast nur die Lebensmittelläden offen waren.»
Sogar billiger und nicht teurer?
Martin Eichler, Chefökonom von BAK Economics in Basel, prognostiziert: Einzelne Produkte und Dienstleistungen könnten vorübergehend billiger werden. Etwa Hotelübernachtungen, wenn heimische Gasthäuser mit Rabatten um Kundschaft buhlten.
«Dem stehen Einzelfälle gegenüber, die teurer geworden sind wie etwa Schutzmasken und Laptop-Computer. Diese wenigen zurzeit besonders gefragten Güter stehen aber nicht stellvertretend für die ganze Preisentwicklung», so Eichler.
Tiefer Ölpreis als dämpfender Faktor
Am meisten ins Gewicht falle momentan der tiefe Erdölpreis. Dieser drücke die Energiekosten und halte damit auch die Inflation vorerst tief, betont Wellershoff: «Wenn aber die Privathaushalte relativ viel Geld haben und die eine oder andere Knappheit da ist, könnten die Inflationsraten schneller steigen, als uns lieb ist.»
Sie kommt – früher oder später
Das hängt auch davon ab, wie tief der wirtschaftliche Einbruch sein wird, wie viele Leute ihren Arbeitsplatz verlieren und wann die Konsumentinnen und Konsumenten wieder Vertrauen fassen und Geld ausgeben.
Laut Wellershoff dürfte die Inflation bereits im kommenden Sommer anziehen. Anlagechef Stucki rechnet mit einem Anstieg von zwei bis maximal drei Prozent für die Schweiz in den nächsten zwei bis drei Jahren.