Die häufigste Antwort der Ökonomen auf die Frage, wieso die Börsen schon wieder boomen, ist einfach: Die aktuelle Rezession ist keine klassische, sondern staatlich verordnet.
Der Chefökonom der Zürcher Kantonalbank (ZKB), Christoph Schenk, erklärt das so: «Zur Eindämmung des Coronavirus haben die Regierungen entschieden, Angebot und Nachfrage einzustellen. Autos wurden nicht mehr gekauft, nicht weil man nicht mehr wollte, sondern weil man nicht mehr durfte.»
Autos wurden also nicht mehr gekauft, nicht weil man nicht mehr kaufen wollte, sondern weil man nicht mehr durfte.
Hoffnung auf baldiges Ende
Das sieht auch Andreas Busch so, ein auf die USA spezialisierter Analyst bei der Bantleon Bank. In den USA sind die Aktienkurse seit Ende März am extremsten angestiegen: «Bei einer normalen Rezession mit einer Abwärtsspirale mit Entlassungen und Konsumeinbruch wären die Börsen auch jetzt noch auf Talfahrt», sagt Busch. Das sei nicht der Fall, auch, weil die Misere wahrscheinlich von kurzer Dauer sei.
Börsen blicken voraus
Und das nehmen die Börsen vorweg. Alle bekannten News sind schon in den Kursen enthalten. Und somit auch, dass die Firmenerträge sinken werden, dass Millionen von Menschen vorübergehend ihren Job verloren haben und dass die Wirtschaft stillsteht.
Sobald die Pandemie aber unter Kontrolle sei, würden die Einschränkungen gelockert, sagt Busch: «Dann kommt die Konsumnachfrage zurück, die Produktion läuft wieder an und die Leute werden wieder eingestellt. Dann werden wir eine historisch betrachtet vergleichsweise schnelle Erholung sehen.»
Optimismus nachvollziehbar
«Deshalb ist der an den Börsen beobachtete Optimismus der letzten Wochen grundsätzlich gerechtfertigt», so Busch. Zudem seien die Rekordstände der Börsen noch lange nicht wieder erreicht. In den USA fehlen dazu über 15 Prozent.
Mit der Kontrolle über die Pandemie werden wir eine vergleichsweise rasche Erholung sehen.
Gestützt wird der Optimismus der Anleger davon, dass viele Regierungen den Haushalten, Firmen und Arbeitslosen mit Milliarden helfen – mit viel neu gedrucktem Geld. Damit aus dem kurzfristigen Einbruch kein nachhaltiger Schaden entsteht.
Natürlich fällen Anleger ihre Kaufentscheide auch mit Blick auf das Zinsniveau. Die Zinsen sind wegen des vielen neu gedruckten Geldes weiter gesunken. Mit Folgen.
«Wenn die Zinsen fallen, steigen die Aktienkurse. Das hat auch gestützt», erinnert ZKB-Chefökonom Schenk. Denn wer Geld investieren muss, hat kaum mehr Alternativen zu Aktien, wenn Obligationen nichts mehr abwerfen.
Der grosse Test steht erst bevor
Mit den Lockerungen stehe man aber jetzt vor der ökonomisch heikelsten Phase dieser staatlich verordneten Rezession, sagt Schenk: «Wenn der Glaube nicht kommt und das Virus aus Angst vor einer zweiten Welle oder einem erneuten Lockdown noch im Kopf ist, werden die Leute nicht konsumieren. Dann gibt es eine reale Rezession. Jetzt müssen wir herausfinden, ob das herausgeschobene Geld konsumiert oder aus Angst vor der Zukunft gespart wird.»
Wenn die Leute aus Angst vor einen zweiten Lockdown nicht konsumieren, droht die reale Rezession.
Sparen würde in dem Fall bedeuten, dass sich eine echte Rezession anbahnen könnte und die Börsen wieder auf Talfahrt gehen. Die gestiegenen Aktienkurse deuten aber auf das Gegenteil hin: «Der Markt geht heute davon aus, dass das nicht verbrauchte Geld wieder für den Konsum verwendet wird und die Firmen ihre Produkte verkaufen können», so Schenk.