Darum geht es: Das Bundesamt für Statistik hat neue Zahlen zu den Absenzen am Arbeitsplatz publiziert. Nach einem Allzeithoch 2022 haben sich die Zahlen zu den krankheitsbedingten Absenzen 2023 wieder stabilisiert. Die langfristige Tendenz ist allerdings steigend. Die BFS-Zahlen zeigen ausserdem nicht das ganze Bild. Sie erfassen lediglich die Absenzen bei Vollzeitstellen. Ausserdem werden die Krankheitsgründe beziehungsweise die Art der Erkrankung nicht ausgewiesen. Diese Informationen haben nur die Versicherer.
Das ist die gesetzliche Regelung: Es gibt zwar kein Obligatorium, seine Angestellten für Krankheitsausfälle zu versichern. Doch 80 Prozent der Arbeitgeber machen es. Sonst kann es teuer werden, denn das Gesetz schreibt eine volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vor. Wie lange, das hängt von der Dauer des Anstellungsverhältnisses ab. Ein Kleinunternehmen kann diese Kosten kaum stemmen. Ein Grossunternehmen hingegen schon, denn es hat viel mehr Reserven.
Das sagen Marktbeobachter: Simon Tellenbach vom VZ Vermögenszentrum betont, es seien vor allem die psychisch bedingten Absenzen, die zugenommen hätten – und diese dauerten besonders lange: «Wir beobachten das Phänomen seit sechs oder sieben Jahren. Wenn eine Versicherung über längere Zeit höhere Schäden abzudecken hat, erhöht sie die Prämien.» Vor allem kleine Betriebe kommen deshalb unter Druck. Denn einzelne längere Krankheitsfälle fallen bei wenigen Mitarbeitenden stärker ins Gewicht.
So reagieren Versicherungen: Die Versicherer erhöhen einerseits die Prämien. Andererseits wollen sie sich vor einem Abschluss auch stärker absichern: durch höhere Wartefristen etwa, bis sie das Krankentaggeld zahlen. Das heisst, das Unternehmen muss einen grösseren Teil der Kosten für Ausfälle selbst decken. Bei Betrieben mit höchstens fünf Mitarbeitenden müssen zudem oft alle einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen.
Das sind die Auswirkungen: Wenn das Verhältnis von Prämieneinnahmen zu Schadenszahlungen über längere Zeit im unrentablen Bereich liegt, wird das Krankentaggeld-Geschäft weniger attraktiv. Mehrere Versicherer sind denn auch aus dem Geschäft mit Krankentaggeld-Versicherungen ausgestiegen. Eine zunehmende Konzentration der Anbieter zeichnet sich ab.
Darum erwarten Fachleute keine Entspannung: René Grünig von Fairsicherungsberatung AG berät vor allem Kleinstbetriebe mit wenigen Mitarbeitenden und sagt: «Ich kenne Fälle, die man hinsichtlich Schadenslast und Prämie kaum mehr ins Lot bringt. Statt das x-fache der Prämie zu verlangen, wird die Versicherung gekündigt.» Dann einen neuen Krankentaggeld-Versicherer zu finden, sei kaum möglich. Beide Versicherungsfachleute erwarten keine baldige Entspannung der Lage. René Grünig formuliert es so: «Wenn die krankheitsbedingten Absenzen weiter steigen, und immer weniger Versicherer den Markt beherrschen, kennen die Prämien nur eine Richtung – nach oben.»