Aufschlussreich ist die Art und Weise, wie die Schweizer Unternehmen in Russland kommunizieren – und zwar gegenüber den Angestellten und Kunden vor Ort. Radio SRF wollte konkret von den grossen Konzernen wissen, ob sie in Russland die russische Sprachregelung übernehmen und von «Militäroperation» sprechen oder von «Krieg».
«Militäroperation» oder «Krieg»? So benennen Schweizer Unternehmen die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine gegenüber Kundschaft und Angestellten
-
Bild 1 von 7. Credit Suisse. CS-Chef Thomas Gottstein lässt sich am Donnerstag so zitieren: «Ich spreche für die gesamte Geschäftsleitung der Credit Suisse, wenn ich sage, dass uns die russische Invasion der Ukraine zutiefst betrübt. Wir verurteilen diese Invasion und die gravierenden Verstösse gegen internationales Recht.» Die CS hat ein Büro in Moskau mit 125 Angestellten. Bildquelle: Keystone/Ennio Leanza.
-
Bild 2 von 7. Nestlé. «Wir können bestätigen, dass auch unsere Mitarbeitenden in Russland interne Kommunikation erhalten haben, in der Krieg und Invasion erwähnt werden». Nestlé beschäftigt in Russland rund 7000 Mitarbeitende und machte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1.7 Mrd. Schweizer Franken. Das sind knapp 2 Prozent des Gesamtumsatzes. Bildquelle: Keystone/Jean-Christophe Bott.
-
Bild 3 von 7. Holcim. Holcim-CEO Jan Jenisch gab auf LinkedIn das folgende Statement ab: «Wir sind zutiefst schockiert über das Leid, das aktuell den Menschen in der Ukraine und in ganz Osteuropa widerfährt.» Holcim betreibt in der Ukraine 3 Zementwerke mit rund 1'000 Angestellten. Bildquelle: LinkedIn/Holcim.
-
Bild 4 von 7. OC Oerlikon. Michael Süss, Verwaltungsratspräsident von OC Oerlikon, schreibt in seinem LinkedIn-Beitrag: «Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf die Ukraine ist ein dramatisches Ereignis, das Europa und die ganze Welt in Mitleidenschaft zieht. (…)». OC Oerlikon beschäftigt in Russland rund 50 Angestellte an 6 Standorten. Bildquelle: Keystone/Gaetan Bally.
-
Bild 5 von 7. ABB. Keine Stellungnahme zu diesem Thema. ABB erzielte 2021 rund 1 bis 2 Prozent des Konzernumsatzes in Russland. Bildquelle: Keystone/Walter Bieri.
-
Bild 6 von 7. Rolex. «Kein Kommentar». Bildquelle: Keystone/Peter Schneider.
-
Bild 7 von 7. «Die Kommunikation mit Kunden findet bilateral statt. Die Mitarbeitenden in Russland wurden persönlich informiert.» Clariant hat 54 Mitarbeitende in Moskau. Das Russlandgeschäft trägt rund 2 Prozent zum jährlichen Umsatz bei. Bildquelle: Keystone/Georgios Kefalas.
Der Industriekonzern OC Oerlikon etwa bezieht klar Stellung. Michael Süss, Verwaltungsratspräsident, schreibt auf der Internetplattform LinkedIn: «Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf die Ukraine ist ein dramatisches Ereignis (…)» und weiter: «Die langfristigen wirtschaftlichen Folgen dieses vom russischen Regime initiierten Krieges sind derzeit noch gar nicht abzuschätzen.»
Klare Worte? Nicht von allen
Dass gerade OC Oerlikon so klare Worte wählt, mag erstaunen. Das Unternehmen wird vom russischen Oligarchen Viktor Vekselberg kontrolliert. Viele Firmen allerdings wollen sich zur Kriegsfrage nicht äussern: zum Beispiel ABB, Clariant, Rolex oder Swatch.
Für Adrienne Suvada, Dozentin für Unternehmenskommunikation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, zeigt dies vor allem eines: «Wir wissen alle nicht, wie sich das weiterentwickelt. Man versucht, nicht alle Brücken abzubrechen, sondern sich einen Fuss in der Türe beizubehalten. Das ist die Strategie, die die Unternehmen bei uns auch fahren.»
Die Firmen versuchen, nicht alle Brücken abzubrechen.
Die Schweizer Unternehmen versuchen also einen Spagat: Russland nicht komplett verärgern, aber gleichzeitig auf öffentliche Kritik reagieren, indem sie nun die Geschäftsbeziehungen vorübergehend unterbrechen.
«Man vermeidet natürlich gerade in so hitzigen Zeiten, dass man sich falsch positioniert. Das ist schon seit einigen Jahren zu beobachten. Man schlägt sich ein bisschen auf die Seite des geringsten Widerstands. Man will möglichst vermeiden, dass man bei den Medien oder in der Presse schlecht ankommt», so Suvada.
Gleichzeitig ist es für die meisten Unternehmen auch wirtschaftlich verkraftbar, auf das Russland-Geschäft zu verzichten. In der Regel erzielen sie nur 1 bis maximal 3 Prozent ihres Umsatzes in Russland.
Roche und Nestlé bleiben in Russland
Gleichwohl gibt es auch etliche Unternehmen, die ganz bewusst an Russland festhalten. Roche etwa und Nestlé. Beide Konzerne stellen sich auf den Standpunkt, dass sie die russische Bevölkerung mit wichtigen Gütern des täglichen Bedarfs versorgten – Roche mit Medikamenten, Nestlé mit Lebensmitteln.
An einer solchen Strategie festzuhalten, ist in der aktuellen Situation nicht einfach, so Adrienne Suvada: «Es braucht Mut, Widerstandskraft und eine klare Kommunikationslinie und -strategie.»
Hinzu kommt, dass sich diese Unternehmen auch gewohnt sind, mit öffentlicher Kritik umzugehen. Gleichzeitig sind es aber auch Unternehmen mit Gewicht. Deshalb kann es sich Nestlé leisten, auch in Russland gegenüber den 7000 russischen Angestellten den Krieg und die Invasion zu erwähnen.