Er hat den derzeit wohl schwierigsten Job im Schweizer Bankensektor: Axel Lehmann, Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse (CS). Lehmann muss die Bank aus ihrer tiefen Krise führen und das Vertrauen von Kundinnen und Anlegern wiedergewinnen. Denn allein zwischen Anfang Oktober und Mitte November zogen Kunden sechs Prozent der verwalteten Vermögen ab; rund 85 Milliarden Franken. Dieser Abfluss sei mittlerweile gestoppt, erklärt Axel Lehmann im «Eco Talk».
SRF: Ziehen die CS-Kundinnen und -Kunden weiterhin Gelder von ihren Konten ab?
Axel Lehmann: Die Lage hat sich absolut stabilisiert. Es gibt weiterhin Schwankungen. Der Markt ist verunsichert und die Kapitalerhöhung, die wir gerade durchführen, bewirkt eine Verwässerung für die Altaktionäre. Das erhöht die Volatilität. Aber die Situation hat sich seit Ende letzter Woche beruhigt.
Ein solch massiver Abfluss von Kundengeldern ist brandgefährlich für eine Bank. Ein Analyst hat berechnet, dass im vierten Quartal 107 Milliarden Franken abfliessen könnten. Liegt er damit richtig?
In den letzten Monaten gab es so viele Gerüchte um die CS. Darum haben wir kurz vor der Kapitalerhöhung grosse Transparenz geschaffen. Manchmal muss man auch unangenehme Dinge bekanntgeben – wie eben den Abfluss dieser zirka 85 Milliarden Franken. Über das vierte Quartal informieren wir im nächsten Jahr.
Die verlorenen Gelder werden mit der Zeit wieder zurückfliessen.
Mit dem Verlust von Kundengeldern schrumpft auch Ihre Geschäftsbasis: Je weniger Kundengelder, desto weniger Einnahmen. Ist die Grundlage Ihres Geschäfts schlechter geworden als bei der Bekanntgabe der neuen Strategie im Oktober noch gedacht?
Ja, natürlich, darin steckt eine gewisse Tragik. Diese Grundlage wird leicht tiefer sein. Ich konnte aber mit vielen Kundinnen und Kunden, mit vielen Kundenberaterinnen und -beratern sprechen. Die Kunden sind zum Glück immer noch bei uns, nur wenige haben ihre Konten saldiert und die Bank verlassen. Darin steckt unser Geschäftspotenzial. Die verlorenen Gelder werden mit der Zeit wieder zurückfliessen.
Die CS muss ihre Kosten herunterfahren und Stellen streichen. Gehen jetzt die Falschen – also die besonders wertvollen Mitarbeitenden?
Das ist sicher ein Thema, wenn man täglich in den Schlagzeilen steht – und das schon seit zwei, drei Jahren. Es herrscht ein enormer Druck. Ja, wir haben einige sehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren. Aber ich habe gerade heute in der Geschäftsstelle gespürt, dass eine solche Krise zusammenschweisst. Und wir können nach wie vor sehr gute neue Kollegen gewinnen.
Sie stecken in einem Dilemma: Eigentlich sollten Sie keine Boni mehr bezahlen, weil Sie Verluste verzeichnen. Andererseits müssen Sie die guten Mitarbeiter halten. Wie gehen Sie damit um?
Das ist sicherlich eine schwierige Situation. Mitarbeiter, die vor wenigen Monaten zu uns gekommen sind und uns jetzt mithelfen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, sollen nur noch halb so viel verdienen wie bei anderen Banken – das geht auch nicht. Einerseits werden wir schauen müssen, dass wir die Schlüsselleistungsträger fair entschädigen können. Aber wenn der Geschäftsgang schlecht ist, können wir natürlich nicht massive Löhne und Boni zahlen.
Aber Sie selbst haben noch nicht auf Ihren Bonus verzichtet?
Das erfahren Sie dann im nächsten Frühling.
Das Gespräch führte Reto Lipp.