Deshalb rechnet die Internationale Energieagentur mit dem Ende des Ölzeitalters: Die Nachfrage nach fossilen Energieträgern, also Öl, Gas und Kohle, soll bereits bis 2030 ihren Höhepunkt erreicht haben. Diese Prognose wagt die Internationale Energieagentur IEA in ihrem jüngsten Energieausblick. Sie geht davon aus, dass erneuerbare Energien bis 2030 nahezu die Hälfte des globalen Strommixes ausmachen werden. Heute machen Öl, Kohle und Gas noch gut 80 Prozent aus.
«Völllig unrealistisch», sagt die Expertin. Weshalb? Die Ökonomin und Energieexpertin Cornelia Meyer glaubt zwar auch, dass Europa und die USA nach und nach von den fossilen Energieträgern wegkommen – nicht aber die Entwicklungsländer. «Diese haben nicht das Geld, um so schnell so viele Ladestationen für E-Autos zu bauen.» Der massiv gestiegene Flugverkehr etwa in China zeige: «Wir kommen gegenwärtig nicht um das Öl herum».
2050 werden wir zwei Milliarden Menschen mehr sein auf der Erde.
Oder Afrika: «Dort leben 700 Millionen Menschen in Energiearmut, die müssen wir rausholen, dazu brauchen wir sämtliche Formen von Energie.» Weg vom Öl – das werde gerade auch mit Blick auf das Bevölkerungswachstum schwierig: «2050 werden wir 2 Milliarden Menschen mehr sein auf der Erde – diese werden in Afrika leben oder in Südasien», sagt sie im «ECO Talk». Also in Entwicklungsregionen, die nicht so schnell vom Öl loskämen.
Der Blick auf die Schweiz: Hier gehts vorwärts, sagt der Experte: Die Schweiz hat ihre Abhängigkeit vom Öl deutlich reduziert. UBS-Ökonom Daniel Kalt macht ein Beispiel: Heute brauche die Schweiz noch etwa ein Drittel bis ein Viertel so viel Öl wie in den 70er-Jahren, damit die Wirtschaft wächst. «Wir sind also viel effizienter geworden im Umgang mit Öl», sagt Kalt.
In der Schweiz sind wir viel effizienter geworden im Umgang mit Öl.
Klar, man spüre es auch in der Schweiz an der Zapfsäule, sollte der Ölpreis auf 95 Dollar pro Fass steigen. Aber ein Ölpreis-Schock wie in den 70er-Jahren wäre nach Ansicht von Kalt heute viel weniger schlimm als damals. «Wir sind nicht mehr gleich verwundbar.»
US-Ölmultis stecken weiterhin Milliarden ins Geschäft: Es ist der grösste Deal der Konzerngeschichte, den der US-Ölkonzern Chevron einen Tag vor der IEA-Prognose ankündigte. Chevron will für 53 Milliarden Dollar den Rivalen Hess übernehmen. Tage zuvor hatte mit ExxonMobil ein weiterer US-Ölmulti eine Milliardenübernahme verkündet. Die beiden Megadeals zeigen: Die Ölkonzerne suchen Förderstätten in der Nähe ihrer Heimat USA, um die Abhängigkeit von Öl aus der Nähe geopolitischer Hotspots (Russland, Gaza) zu verringern.
Und: Sie wollen sich Vorkommen für die nächsten Jahrzehnte sichern, weit über 2030 hinaus. Auch die Konzernlenker glauben also nicht an die IEA-Prognose: Sie sagen es offen, und sie handeln entsprechend. Zumindest die US-amerikanischen Konzernchefs. Ihre europäischen Pendants stehen stärker unter öffentlichem und politischem Druck, von Big Oil wegzukommen und ambitioniertere Klimaziele zu verfolgen.