Man kann viel sagen über Elon Musk als Twitter-Chef – oder «Chief Twit», wie er sich auf der Plattform kurz selber nannte – aber langweilig wird es mit ihm nie. Es gab kaum einen Tag in diesen ersten 100 Tagen, da der exzentrische Milliardär als Chef des Kurznachrichtendienst nicht für Schlagzeilen sorgte.
Ein kurzer Überblick: Musk entliess die alte Führungsriege rund um Parag Agrawal, liess die Belegschaft von 7500 auf gut 2000 schrumpfen, stellte neue Funktionen vor, machte sie gleich wieder rückgängig, entsperrte Konten wie das von Donald Trump und sperrte dafür andere Konten wie etwa das eines jungen Studenten, der die Flugbewegungen von Musks Privatjet dokumentiert.
Zuletzt liess der 51-jährige die Twitter-Gemeinde darüber entscheiden, ob er als CEO im Amt bleiben soll oder nicht. 57.5 Prozent der Stimmen forderten seinen Rücktritt. Musk kündigte an, nur noch die Server- und Softwareabteilung von Twitter zu leiten, sobald er eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger gefunden habe – eine Suche, die notabene schon Wochen vor der oben erwähnten Abstimmung begonnen hatte.
Umsatz ist eingebrochen
Immerhin: Mit der Ankündigung des Rücktritts kehrte bei Twitter knapp zwei Monate nach der Übernahme wieder ein wenig Ruhe ein. Zeit also für die Frage: Wo steht die Plattform heute?
44 Milliarden Dollar hat sich Elon Musk den Kauf von Twitter kosten lassen. 13 Milliarden davon stammen aus Krediten, welche die Plattform nun selbst bedienen muss. Allein die Zinsen dafür betragen laut der «Financial Times» mindestens 1.5 Milliarden Dollar im Jahr.
In den letzten zehn Jahren hat Twitter dank Werbeeinnahmen stets mehr Geld verdient als ausgegeben. Auch im letzten Quartal machte die Plattform immer noch einen Umsatz von gut einer Milliarde Dollar. Allerdings ist das nur ein Bruchteil von dem, was Social-Media-Dienste wie Facebook oder TikTok verdienen. Und: Es ist rund ein Drittel weniger, als Twitter selbst noch ein Jahr zuvor verdient hat.
Nur ein Tropfen auf den heissen Stein
Denn mit der Absicht, auf der Plattform in Zukunft auch Inhalte zuzulassen, die unter der alten Führung tabu waren, hat Elon Musk viele Werbekunden verschreckt. Niemand will seine Anzeigen zwischen Tweets sehen, die Hassrede verbreiten oder Fake News.
Über 500 Werbetreibende sollen deshalb ihre Anzeigen auf Twitter zumindest vorübergehend eingestellt haben – darunter auch grosse Namen wie der Autobauer Audi oder das Pharmaunternehmen Pfizer.
Erfolgversprechende neue Geldquellen konnte Elon Musk dagegen noch nicht präsentieren. Das Geld zum Beispiel, das die verifizierten Konten in die Kasse spülen, die nun für eine monatliche Abo-Gebühr zu haben sind, ist kaum mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein.
Was wird aus der Super-App?
Auch Musks angeblicher Plan, aus Twitter eine Art App für alles zu machen – nach Vorbild von WeChat in China – steht auf wackeligen Füssen. So könnte Twitter zwar künftig an Zahlungen verdienen, die in der App gemacht werden. Doch die dazu nötige technische Infrastruktur besitzt die Plattform noch nicht. Ebenso wenig das Ok der Behörden und das Vertrauen der Kundinnen und Kunden, die diese Super-App einst brauchen sollen.
Kurz: In seinen ersten 100 Tagen als Twitter-Chef hat Elon Musk für viel Verwirrung und viele Schlagzeilen gesorgt. Aber etwas gezeigt, das Twitter in eine goldene Zukunft führen könnte, das hat Elon Musk bis jetzt noch nicht.
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