Milliardenverluste einfahren und doch Millionen an Boni an Top-Manager auszahlen. Dieses Bild bietet auch die Credit Suisse und sorgt für Ärger. Oft wird argumentiert, die Besten seien ohne Boni nicht zu bekommen. Die Theorien aus den 1980er-Jahren zum «Homo oeconomicus» seien längst widerlegt, sagt Professorin Antoinette Weibel an der Universität St. Gallen (HSG).
SRF News: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Vergütung von Top-Managern und der Leistung eines Unternehmens?
Antoinette Weibel: Nach wie vor zeigen alle verfügbaren Meta-Studien, dass es keinen Effekt von der Höhe oder Art der CEO-Vergütung auf die Leistung des Unternehmens gibt. Keine Studie kann belegen, dass deswegen die intelligentesten, ethischsten und kooperativsten Kräfte in ein Unternehmen kommen wollen.
Aber die Idee wäre doch, dass Manager mehr erhalten, wenn sie ein Unternehmen erfolgreich führen. Warum funktioniert das nicht?
Wir können ganz generell zeigen: Boni erhöhen die Leistung nicht, sondern das Gegenteil ist der Fall – und zwar auf jeder Ebene. Zudem zeigen sehr viele Studien, dass man sich mit Boni viele Probleme ins Haus holt, wie der Fall der CS schön belegt.
Welche Probleme sind das?
Unumstritten ist mittlerweile, dass massive Fehlanreize gesetzt werden. Boni belohnen immer nur, was man messen kann. Doch häufig ist das Wichtigste nicht messbar. So ist etwa bekannt, dass zu viele Operationen ohne ausreichende Begründung gemacht werden vom Chirurgen, wenn zu stark mit Boni gearbeitet wird. Ähnliches bei Risikoträgern in den Banken.
Zweitens begünstigen Boni manchmal sogar unethisches Verhalten, wie gerade die CS zeigt. Vor allem, wenn der Druck auch sonst relativ hoch ist. Dieser führt zur Erschöpfung, und wer erschöpft ist, geht zu grosse Risiken ein. Boni verdrängen zudem die praktische Klugheit und die innere Motivation.
Boni ziehen Söldner an, die für Geld auch wieder gehen.
Wer nur noch aufs Geld schaut, vergisst die anderen Qualitäten des Jobs. Viertens ziehen Boni Söldner an, die für Geld auch wieder gehen. Meistens fahren sie noch übermässig die Ellbogen aus und vergiften das Klima.
Gibt es Banken, die keine Boni auszahlen?
Die gibt es und sie funktionieren ganz gut. Etwa die ING, die von den Niederlanden angehalten wurde, auf solche Boni-Praktiken zu verzichten. Die Svenska Handelsbanken in Schweden hat noch nie mit Boni gearbeitet und ein relativ egalitäres Lohnsystem. Übrigens: Früher arbeiteten CS, Bankverein und andere auch ohne Boni. Das kam erst mit der Übernahme der Credit Suisse First Boston und Investmentbanken.
Warum hält man an den Boni fest?
Weil im Moment die grössten Nutzniesser auf den Chefetagen sitzen. «Fat Cats», die sich wunderbar am nicht gut kontrollierbaren Fressnapf gütlich tun. Denn es ist schwierig zu definieren, was sie verdienen sollen, weil die Leistung dort nicht messbar ist.
Dazu kommen falsche Theorien aus den 1980er-Jahren, die vom «Homo oeconomicus» ausgehen, einem Menschen, der keinen Spass an der Arbeit hat. Der nur arbeitet, wenn er Geld bekommt oder aus Angst vor einer Bestrafung. Wir wissen mittlerweile, dass das falsch ist. Doch solche Theorien halten sich in den Firmen. Mit etwas Weiterbildung müsste man wissen, dass das veraltet ist und zum Falschen führt.
Könnte man Boni an andere Bedingungen knüpfen?
Das versucht man seit 20 Jahren, mit immer neuen Indikatoren. Aber wenn man das Wichtige nicht messen kann, werden die Fehlanreize nur verschoben. Eigentlich kann man nur von Boni abraten, sonst bleibt man für immer im gleichen Hamsterrad.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.