Die Teuerung – auch wenn sie in der Schweiz deutlich tiefer ausfällt als in der EU oder in den USA – belastet die Kaufkraft vieler Lohnempfängerinnen und Lohnempfänger. Nach Jahren mit teils negativer Teuerung wird ein Ausgleich bei den Löhnen wieder ein Thema, das die aktuellen Lohnverhandlungen zwischen den Sozialpartnern dominiert.
Die Gewerkschaften fordern von den Arbeitgebern den vollen Teuerungsausgleich. Das erste Fazit von Daniel Lampart, Chefökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), lautet: «Bis jetzt sind die Lohnverhandlungen positiv verlaufen. Den Teuerungsausgleich haben wir herausgeholt und in den meisten Branchen etwas darüber hinaus. Das ist besonders wichtig, weil die Krankenkassenprämien steigen und im nächsten Jahr auch der Strom teurer wird.»
Erste Branchenabschlüsse zeigen gemäss SGB folgendes Bild: Die Fluggesellschaft Swiss beispielsweise zahlt ihren Angestellten einen Teuerungsausgleich von 3.3 Prozent. Wobei Angestellte mit tieferen Löhnen mehr erhalten sollen. In der Deutschschweizer Reinigungsbranche haben sich die Arbeitgeber und Gewerkschaften auf generell 3 Prozent Teuerungsausgleich geeinigt. Die Uhrenindustrie zahlt generell 3.5 Prozent Teuerungsausgleich. Angestellte mit Löhnen unter 4372 Franken bekommen mehr.
Viele Lohnverhandlungen stehen noch an
Bei anderen Branchen wie der Industrie und Unternehmen wie Post oder Swisscom stehen die Lohnverhandlungen noch bevor. Die Gewerkschaften stellen sich auf harte Gespräche ein, sind aber zuversichtlich. Es seien Branchen, die im ersten Halbjahr gut verdient hätten, sagt Daniel Lampart: «Schauen Sie die Geschäftsberichte an. Da steht überall ‹sehr guter Abschluss› oder ‹hervorragender Abschluss›.» Das sei Geld, an dem man jetzt die Arbeitnehmenden teilhaben lassen könne.
Wir müssen anstreben, dass die Teuerung generell wieder ausgeglichen wird.
Dort, wo ein Teuerungsausgleich möglich sei, solle er auch gewährt werden, sagt Roland Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes: «Grundsätzlich haben natürlich auch die Arbeitgeber ein Interesse, dass man die Kaufkraft erhalten kann. Allerdings bestehen Beschränkungen insofern, als Arbeitgeber die Lohnerhöhungen selber müssen leisten können», sagt er.
Arbeitgeberverband gegen automatischen Teuerungsausgleich
Eine Rückkehr zu einem flächendeckenden, automatischen Teuerungsausgleich, wie er ab den 50er-Jahren bis in die 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts in den Gesamtarbeitsverträgen festgehalten war, lehnt der Arbeitgeberverband ab. «Wir haben auf der einen Seite eine Teuerung. Wir haben auf der anderen Seite den Ukraine-Krieg, Unsicherheiten, Energiekosten und Corona, die die Wirtschaft belasten. Das wird dazu führen, dass es kaum einen Teuerungsausgleich über alle Branchen hinweg geben kann», sagt Roland Müller. Der Arbeitgeberverband geht davon aus, dass im Schnitt zwei Prozent möglich sein werden.
Das sieht Daniel Lampart vom Gewerkschaftsbund etwas anders: «Es gibt viele Gesamtarbeitsverträge, die einen automatischen Teuerungsausgleich bis ein oder zwei Prozent beinhalten, aber keine drei Prozent. Wir müssen darum anstreben, dass die Teuerung generell wieder ausgeglichen wird», sagt er. Immerhin, so viel vorweg: Eine Mehrheit der Angestellten in der Schweiz dürfte 2023 einen Teuerungsausgleich erhalten.