Der ungewohnte Schulterschluss von SP- und Mitte-Fraktion hat letzte Woche im Nationalrat funktioniert. Nun ist er auch im Ständerat von Erfolg gekrönt gewesen – allerdings nur in einem Punkt. Bei der AHV und bei der Verbilligung der Krankenkassenprämien müsse der Bund zusätzliche finanzielle Mittel einschiessen, hatten SP und Mitte gefordert. Bei der AHV stimmt der Ständerat dem nun zu.
Befürworter sehen Parallelen zu 1990er-Jahren
Bei der AHV sei ein voller Teuerungsausgleich für alle Rentnerinnen und Rentner vonnöten, erklärt der Solothurner Ständerat Pirmin Bischof – und zwar schon auf den 1. Januar 2023. «Den Teuerungsverlust erleiden die Rentnerinnen und Rentner eben heute, und nicht erst in einem Jahr.»
Unterstützung erhält er von Paul Rechsteiner (SP/SG). Der Teuerungsausgleich solle nicht, wie üblich, nach der Formel des sogenannten Mischindexes berechnet werden, findet dieser. Denn so würde die Teuerung nur zu einem Teil ausgeglichen. Ein solcher Schritt wäre nichts Neues: «Schon 1990 – ebenfalls in einer Zeit von ausserordentlicher Teuerung – hat man eine ausserordentliche Anpassung gemacht.»
Die Schuldenbremse kann nicht eingehalten werden mit allem, was Sie sofort wollen.
Diese ausserordentliche Anpassung würde bedeuten, dass der Bundesrat eine dringliche Gesetzesvorlage ausarbeiten müsste, und diese belaste den Bundeshaushalt zusätzlich, mahnt Finanzminister Uli Maurer den Ständerat: «Die Schuldenbremse kann nicht eingehalten werden mit allem, was Sie sofort wollen.»
Gemäss Mitte-Ständerat Bischof führe der volle Teuerungsausgleich auf mittlere Frist aber nicht zu einer zusätzlichen Belastung des Bundeshaushaltes. «Was jetzt ausgeglichen wird, ist ein vorgezogener Teuerungsausgleich, der natürlich in einem Jahr kompensiert wird.» Von dem steht allerdings im Text der Vorstösse von SP und Mitte nichts.
Natürlich könne man eine dringliche Vorlage für den vollen Teuerungsausgleich bis zur Wintersession ausarbeiten, erklärt Sozialminister Alain Berset. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass der Unterschied nicht gross sein werde. Wende man den Mischindex an, wie das der Bundesrat eigentlich bevorzugt hätte, resultiere ein Teuerungsausgleich von 2.5 Prozent, mit dem Modell des vollen Ausgleichs ein solcher von drei Prozent.
Der Ständerat hat sich schliesslich wie zuvor der Nationalrat für diese drei Prozent entschieden und damit für den vollen Ausgleich.
Entlastung bei den Krankenkassen noch offen
Auf die Bremse gestanden ist die kleine Kammer hingegen bei der zweiten Forderung von SP und Mitte: bei der Verbilligung der Krankenkassenprämien. Hier verlangen die beiden Parteien, dass der Bund mehr Geld einschiesst: konkret 30 Prozent zusätzlich. Der Nationalrat hat dem letzte Woche zugestimmt. Der Ständerat hingegen will eine Zusatzschlaufe einlegen. Er hat diese Motionen an seine Gesundheitskommission zur näheren Prüfung zurückgewiesen.
Völlig unverständlich sei das, schreibt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) in einer Medienmitteilung, angesichts der Tatsache, dass Bundesrat Alain Berset am Dienstag eine massive Steigerung der Krankenkassenprämien für das nächste Jahr bekannt geben werde.