- Arbeitnehmende in der Schweiz sollen vier bis fünf Prozent mehr Lohn bekommen – das fordert der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB).
- Dafür gebe es gute Gründe: Es brauche einen Ausgleich der Teuerung.
- Ausserdem gebe es Nachholbedarf, weil sich die Löhne in den letzten Jahren ungenügend entwickelt hätten.
Lohnerhöhungen seien nicht nur nötig, sondern auch möglich – denn die wirtschaftliche Lage sei gut. Die Schweizer Wirtschaft laufe auf Hochtouren: Ein wachsendes Bruttoinlandprodukt, höhere Exporte, mehr Auftragseingänge im Baugewerbe und eine historisch tiefe Arbeitslosigkeit seien Beweise dafür.
Jetzt reichts.
Gleichzeitig werde das Budget der Arbeitnehmenden und der Haushalte immer mehr belastet: mit einer Inflation von über drei Prozent, einem erwarteten Anstieg der Krankenkassenprämien zwischen fünf und zehn Prozent und einem massiven Anstieg der Strom- und Heizkosten. «Jetzt reichts», sagte der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Pierre-Yves Maillard, gemäss Redetext vor den Medien in Bern.
Löhne rasch an Teuerung anpassen
Angesichts dieser Zahlen würde man in der Schweiz eigentlich erwarten, «dass zumindest ein allgemeiner Teuerungsausgleich gar nicht erst zur Debatte steht», sagte Maillard. Wenn man jetzt «die Löhne nicht an die Realität der gestiegenen Lebenserhaltungskosten anpasst, wann dann?», fragte der SGB-Präsident.
Auch die Coronakrise sei kein Argument gegen diese Forderungen. Die damals besonders betroffenen Gastronomie-, Hotellerie- oder Coiffeurgewerbe hätten die Löhne bereits angepasst. «Wenn es bei ihnen möglich ist, ist es überall möglich.»
Drohende Kaufkraftverluste
Ohne eine generelle Lohnerhöhung werde es Kaufkraftverluste für viele Arbeitnehmende geben, warnte SGB-Chefökonom Daniel Lampart. Nach Abzug der Teuerung hätten Berufstätige mit tieferen und mittleren Einkommen weniger Lohn als im Jahr 2016.
Dass der Kampf um höhere Löhne schwierig werden könnte, zeigt eine Medienmitteilung des Arbeitgeberverbandes. Ihr Chefökonom Simon Wey schrieb da, «die wirtschaftlichen Verwerfungen als Folge des Ukraine-Kriegs» hätten die bis dahin florierende Wirtschaft aus dem Tritt gebracht. In vielen Betrieben sei der Geschäftsgang durch die stark steigenden Rohstoff- und Energiepreise sowie Lieferkettenprobleme stark beeinträchtigt. Verunsichert seien die Unternehmen auch «aufgrund der sich abzeichnenden Energiemangellage».
Bei der Argumentation über einen Ausgleich der Teuerung gehe vergessen, dass diese «grossmehrheitlich importiert» sei. Die Margen flössen also nicht in die Kassen der Unternehmen. Deshalb warnten die Arbeitgeber «vor überzogenen Lohnforderungen».
«Mindestmass an Anstand»
Maillard sagte dazu, die Gewerkschaften seien auch während der Coronakrise immer bereit gewesen, die Beschäftigung zu unterstützen. Aber jetzt seien sie an der Reihe, zur Vorsicht aufzurufen. Wer sich gegen die Indexierung der Löhne an die Lebenshaltungskosten sträube, noch mehr Nacht- und Sonntagsarbeit verlange, um den Arbeitnehmern die Last der Energiekrise aufzubürden und gleichzeitig staatliche Beihilfe oder eine Rückkehr zu regulierten Preisen fordere, werde «ausserhalb der Teppichetagen» auf wenig Verständnis stossen.
Wenig Verständnis ausserhalb der Teppichetagen.
Die Gewerkschaften verlangten lediglich ein Mindestmass an Ausgewogenheit, «man könnte sogar von einem Mindestmass an Anstand sprechen», sagte Maillard.