Im Winter an die Wärme, im Sommer auf Safari, fürs Geschäft nach New York oder Hongkong – Fliegen ist praktisch, schnell und vergleichsweise günstig. Aber Fliegen treibt die Klimaerwärmung an.
Die Stunden, die wir im Flieger verbringen, zählen zu den Schlimmsten unseres Lebens, wenn es ums Klima geht.
Rund ein Fünftel des Klima-Fussabdrucks einer Person in der Schweiz entsteht beim Fliegen. Rund 80 Prozent der Weltbevölkerung ist aber noch nie in einem Flugzeug gesessen. Die Luftfahrt richtet beträchtlichen Schaden an, auch wirtschaftlich. Cyril Brunner, Klimaforscher an der ETH Zürich sagt es so: «Die Stunden, die wir im Flieger verbringen, zählen zu den Schlimmsten unseres Lebens, wenn es ums Klima geht.»
Bei vielen Schweizerinnen und Schweizern fliegt deshalb das schlechte Gewissen immer auch mit. Dabei gäbe es Möglichkeiten, die Luftfahrt deutlich weniger klimaschädlich zu gestalten.
CO₂-Ausstoss nur ein Teil der Klimawirkung des Fliegens
Um zu verstehen, wie die Luftfahrt klimaneutral werden könnte, müsse man analysieren, wie genau das Fliegen zur Erderwärmung beitrage, erklärt ETH-Forscher Cyril Brunner. Einerseits entstünden beim Verbrennen von Kerosin in den Triebwerken hohe CO₂-Emissionen. Daneben wirken aber auch die Kondensstreifen, die sich hinter den Flugzeugen bilden können, und die Stickoxide, die in den Motoren entstehen, negativ aufs Klima. «In der Summe ist das dann dreimal so viel wie das CO₂ alleine», meint Brunner.
Kondensstreifen alleine sind anderthalbmal so klimaschädlich wie das CO₂, das aus den Triebwerken kommt. Sie entstehen, weil die Luft auf der üblichen Reiseflughöhe von Mittel- und Langstreckenflügen sehr kalt ist und kaum Wasser aufnehmen kann. Der Wasserdampf, der bei der Verbrennung in den Triebwerken der Flugzeuge entsteht, kann von der Atmosphäre nicht aufgenommen werden. Er kondensiert deshalb zu Wassertropfen und diese wiederum gefrieren zu Eiskristallen. Diese künstlichen Wolken halten Wärme, die von der Erde abstrahlt, zurück und tragen so zur Erderwärmung bei.
Für die beiden grossen Probleme – das CO₂ aus den Triebwerken und die Kondensstreifen – gibt es technische Lösungen. Der CO₂-Ausstoss kann neutralisiert werden durch den Einsatz von nachhaltigen Treibstoffen, sogenannten Sustainable Aviation Fuel, kurz SAF.
Biotreibstoffe taugen nur beschränkt als Lösung
Zur Produktion von SAF wird der Atmosphäre CO₂ entzogen. Bei der Verbrennung im Flugzeugmotor wird dieses dann wieder freigesetzt. Unter dem Strich sind SAF deshalb neutral in der Klimawirkung – theoretisch.
In der Praxis gibt es einen Haken: SAF werden heute vor allem aus Altölen – pflanzlichen und tierischen – produziert. Davon gibt es aber bei weitem nicht genug, um den ganzen Luftverkehr zu versorgen. Mehr SAF produzieren lassen sich zum Beispiel, indem spezielle Energiepflanzen angepflanzt und diese zu Biodiesel verarbeitet werden.
Durch Anbau und Düngereinsatz entstehen mehr oder zumindest gleich viele Emissionen.
Cyril Brunner von der ETH Zürich sieht aber auch hier Haken: «Da hat man die Herausforderung einerseits, dass man das auf Flächen macht, auf denen auch Nahrungsmittel angebaut werden könnten. Und die andere Herausforderung ist, dass durch den Anbau und den Düngereinsatz mehr Emissionen oder zumindest gleich viele Emissionen entstehen, wie wenn man direkt das fossile Benzin oder Kerosin nutzen würde.»
E-Fuels haben grosse Vorteile
Eine weitere Form von SAF sind die sogenannten E-Fuels: Diese entstehen, wenn CO₂ aus der Luft gefiltert und mit Wasserstoff oder Wasser unter Einsatz von erneuerbarer Energie neuer Treibstoff produziert wird. Der Vorteil der E-Fuels ist, dass man das in Gebieten machen kann, die man eben sonst nicht nutzen kann für landwirtschaftliche Zwecke, zum Beispiel in Wüstenregionen. Doch auch das brauche Platz, betont Cyril Brunner: «Rund eineinhalb bis drei Mal die Fläche der Schweiz würde benötigt, um den heutigen Treibstoffbedarf der Luftfahrt zu decken.»
Noch steckt die Produktion von allen drei SAF-Arten in den Anfängen. 2024 sind eine Million Tonnen SAF produziert worden, weltweit. Das ist doppelt so viel wie 2023, aber nur 0.3 Prozent der gesamten Flugtreibstoffproduktion. Und die Treibstoffe kosten noch sehr viel.
Aber die Politik versucht, den Markt anzukurbeln. Seit diesem Jahr müssen die Fluggesellschaften in der EU und auch in der Schweiz ihrem Treibstoff zwei Prozent SAF beimischen. Diese Beimischquote soll kontinuierlich steigen und bis 2050 bei 70 Prozent liegen. Das ist natürlich zu wenig, um den CO₂-Effekt des Fliegens komplett zu neutralisieren. Und gleichzeitig scheint es heute sehr herausfordernd, dass genügend grosse Mengen an SAF hergestellt werden.
Kondensstreifen liessen sich verhindern
Grosse Hoffnung besteht auf Seiten der Wissenschaft im Bereich der Kondensstreifen. Diese haben wie erwähnt eine grosse Wirkung auf das Klima. Sie wären aber relativ einfach zu vermeiden, indem die Flugzeuge ihre Route leicht ändern. In der Branche spricht man vom sogenannten Re-Routing.
Ein Re-Routing würde bedeuten, das man ein bisschen höher oder ein bisschen tiefer fliegt, weil einfach da die Bedingungen so sind, dass sich weniger oder keine Kondensstreifen bilden.
Cyril Brunner blickt zum Himmel und erklärt: «An gewissen Tagen fliegen Flugzeuge durch, ohne Kondensstreifen zu verursachen. An anderen Tagen ist der ganze Himmel gezeichnet mit Kondensstreifen. Das hat mit den atmosphärischen Bedingungen zu tun, die auf den Flughöhen vorherrschen. Ein Re-Routing würde bedeuten, dass man ein bisschen höher oder ein bisschen tiefer fliegt, weil einfach da die Bedingungen so sind, dass sich weniger oder keine Kondensstreifen bilden.»
Dass fürs Re-Routing zusätzlicher Treibstoff verbrannt werden muss, falle nicht ins Gewicht, betont Cyrill Brunner: «Man hat herausgefunden, dass man etwa drei Viertel der Klimawirkung von den Kondensstreifen reduzieren kann, indem man 0.11 Prozent mehr Treibstoff braucht. Das ist sehr verkraftbar.» Noch sind das vor allem theoretische Berechnungen. Reale Tests mit Re-Routing laufen derzeit. Ab 2027 will die EU das Ausweichen zur Verhinderung von Kondensstreifen, womöglich aber zur Pflicht machen.
Bei Skyguide noch kein Thema
Organisieren müssten die Fluglotsen das Re-Routing zur Verhinderung von Kondensstreifen. Bei der Schweizer Flugsicherung Skyguide ist das jedoch bisher kein Thema. Robert Rudigier, verantwortlich für das Kapazitätsmanagement im Luftraum bei Skyguide, sagt: «Bei uns spielte das bisher noch keine Rolle. Die Flugplanung erfolgt in erster Linie durch die Airlines selber. Die sagen, wie sie wo durchfliegen wollen. Dabei ist der Luftraum von Skyguide nur ein kleiner innerhalb des Netzwerkes in Europa.»
Re-Routing müsste entsprechend international koordiniert angegangen werden, erklärt Robert Rudigier. Er ergänzt aber, dass Skyguide bereits daran arbeite, die CO₂-Emissionen des Flugbetriebs zu senken, in dem möglichst kurze Routen gewählt würden und Starts und Landungen so gestaltet werden, dass möglichst wenig Treibstoff verbraucht wird.
Ohne Verzicht bleibt die Klimaneutralität unerreichbar
Wer heute schon selbst möglichst klimaneutral fliegen will, kann bei verschiedenen Fluggesellschaften SAF einkaufen, zusätzlich zum Flugticket und so sicherstellen, dass irgendwo im System so viel SAF getankt wird, wie auf dem Flug gebraucht würde. Allerdings steigt der Preis des Fluges dabei deutlich, teils verdoppelt er sich.
Wenn alle Personen auf der Welt gleich viel fliegen wollen wie wir in der Schweiz, wird das kaum klappen.
Der klimafreundlichste Flug ist aber weiterhin derjenige, der gar nicht stattfindet. Cyril Brunner von der ETH Zürich hält denn auch fest, dass die beschriebenen Massnahmen unter grossen Anstrengungen dazu führen können, den Flugverkehr klimaneutral zu gestalten, allerdings nur, wenn er nicht weiter wächst. «Es wird sehr anspruchsvoll, das global hinzukriegen. Wenn alle Personen auf der Welt gleich viel fliegen wollen wie wir in der Schweiz, dann wird das kaum klappen.» Derzeit gehen die Prognosen davon aus, dass der Flugverkehr weltweit um drei bis vier Prozent pro Jahr wachsen wird.