- Stahl Gerlafingen schliesst die Produktionsstrasse, auf der klassische Stahlträger hergestellt werden. Maximal 95 Mitarbeitende verlieren ihre Stelle.
- Noch vor zwei Wochen legte Stahl Gerlafingen die Massenentlassung auf Eis. Das, nachdem sich die Politik eingeschaltet und Hilfe versprochen hatte.
- Die angekündigten Massnahmen aus der Politik kämen zu spät, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, heisst es in einer Mitteilung des Stahlwerks.
- Gewerkschaften fordern jetzt einen Sozialplan und dass die Politik handelt.
Bereits vor zwei Wochen war eine Massenentlassung beim ältesten Schweizer Stahlwerk ein Thema. Die Bilanz sei tiefrot, schrieb Stahl Gerlafingen damals. Die Schliessung von zwei Produktionsstrassen stand zur Debatte.
Jetzt ist klar, dass eine der beiden Produktionsstrasse geschlossen wird. Bis zu 95 Angestellte verlieren ihre Arbeit – das entspricht rund einem Fünftel der Belegschaft. Eine zweite Produktionslinie für Bewehrungsstahl – Stahlstäbe, die zur Verstärkung von Stahlbeton eingesetzt werden – soll hingegen weiter betrieben werden.
Stahlwerk macht EU für Misserfolg verantwortlich
Auf der von der Schliessung betroffenen Produktionsstrasse wird Profilstahl hergestellt; also klassische Stahlträger. Für den Profilstahl ist das Marktumfeld besonders schwierig. Seit 2023 hat die Schweiz kein eigenes Kontingent mehr für den Export in die EU. Darum sei der Export eingebrochen, heisst es beim Stahlwerk. Damit verletze die EU das Freihandelsabkommen, das sie 1972 mit der Schweiz abgeschlossen hat und verunmögliche praktisch den Export in die EU.
Hinzu kommen die Energiepreise. Diese seien horrend. Stahl Gerlafingen kritisiert, dass die Schweiz die Stahlunternehmen nicht finanziell unterstützte, anders als EU-Staaten. Die Politik müsse sich für bessere Rahmenbedingungen einsetzen.
Hilfe aus der Politik kam zu spät
Die drohende Massenentlassung rief vor zwei Wochen die Politik auf den Plan. Die Solothurner Bundesparlamentarier reichten eine Motion ein und forderten die Rettung des Stahlwerks – wenn nötig auch mit Notrecht. Auch der Solothurner Regierungsrat schaltete sich ein. Die Stahl Gerlafingen sei systemrelevant, und zwar für die ganze Schweiz.
Wir waren sehr überrascht über diese Unterstützung.
Die zugesicherten Massnahmen kamen jedoch zu spät. Man könne den Betrieb der Profilstrasse aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht länger verantworten, schreibt CEO Alain Creteur. «Die Reserven sind aufgebraucht und wir müssen den Rest des Werks schützen.» Creteur bedankt sich in der Mitteilung weiter für die Unterstützung aus der Politik. «Wir waren sehr positiv überrascht und danken allen Beteiligten für ihr Engagement.»
Gewerkschaften nehmen Stellung
Die Gewerkschaft Angestellte Schweiz verlangt politische Lösungen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und somit der Schweizer Stahlindustrie zu gewährleisten. Es brauche bessere Rahmenbedingungen.
Die Gewerkschaften der Syna, Unia und der Kaufmännische Verband Schweiz fordern, dass die Konsultationsfrist verlängert werde und die Arbeitsplätze erhalten blieben. Die vorliegenden Informationen würden nicht klar aufzeigen, weshalb die Produktionskapazität abgebaut werden müsse.
Stahl Gerlafingen selbst verspricht in der Medienmitteilung, dass für die Betroffenen ein Sozialplan zum Tragen kommen werde. Der restliche Abbau von Arbeitsplätzen soll über natürliche Abgänge erfolgen.