Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird in den nächsten fünf Jahren bis zu sechs Milliarden Franken ihres Gewinns an Bund und Kantone abliefern – so auch in diesem Jahr. Bisher lag die Obergrenze bei vier Milliarden Franken. Ernst Stocker, Präsident der kantonalen Finanzdirektorenkonferenz (FDK), zeigt sich über die höheren Ausschüttungen erfreut.
SRF News: Die Coronakrise kommt Bund und Kantone teuer zu stehen. Die Hilfe für Härtefälle ist gerade auf fünf Milliarden Franken verdoppelt worden. Da kommen die zusätzlichen Milliarden-Ausschüttungen der Nationalbank vermutlich wie gerufen?
Ernst Stocker: Selbstverständlich kommen die wie gerufen. Aber ich glaube, es ist ganz wichtig und ist auch den kantonalen Finanzdirektoren sehr wichtig, dass die Nationalbank ihre Hauptaufgabe, die Währungspolitik, wahrnehmen kann. Die geplante Ausschüttung gefährdet diese Ausschüttung aber nicht. Wir stecken mitten in der Bewältigung der Härtefälle, also jener Betriebe, die geschlossen sind oder Umsatzeinbussen haben. Das Härtefall-Paket wurde darum soeben noch einmal aufgestockt. An diesen Kosten müssen sich natürlich auch die Kantone beteiligen. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir die Mittel dafür haben. Und die werden aufgrund der Ausschüttungen der SNB jetzt natürlich positiv beeinflusst.
Es kann also sein, dass mit Bilanzverlusten bei der SNB die Reserven schnell schwinden werden.
Wie unabhängig kann die Nationalbank noch bleiben, wenn sie wie in den vergangenen Jahren ihre Gewinnausschüttungen an Bund und Kantone stetig erhöht?
Die Ausschüttungen, von denen wir heute reden, sind in einem Rahmen, in dem die Aufgaben und die Unabhängigkeit der Nationalbank nicht gefährdet sind. Wir hatten heute eine Aussprache mit Finanzminister Ueli Maurer und dem SNB-Präsidenten Thomas Jordan. Da wurde uns bestätigt, dass man diese Ausschüttung vornehmen kann.
Die Ausschüttungen sind ja auch gekoppelt an die Geschäftsergebnisse der Nationalbank. Dann würden die Ausschüttungen wieder zurückgehen. Mit der neuen Vereinbarung zwischen dem Eidgenössischen Finanzdepartement und der SNB ist gewährleistet, dass auch in einer Zeit, in der es nicht mehr so gut aussähe, die Aufgaben der SNB nicht gefährdet wären.
Im vergangenen Jahr erhöhte die SNB ihre Gewinnausschüttung von zwei auf vier Milliarden Franken, jetzt auf sechs Milliarden Franken. Ist das nun das Ende der Fahnenstange oder erwarten Sie noch mehr?
Wir sind, mit Ihren Worten, weit oben an der Fahnenstange. Sicher ist nichts, aber wir haben es jetzt bei diesem Jahresergebnis gesehen: Es kann grosse währungspolitische Verwerfungen geben, etwa wenn der Dollar sich von 98 auf 88 Rappen verändert. Dann hat das riesige Auswirkungen auf die Bilanz der Nationalbank.
Von daher muss ich sagen: Bei den hohen Summen, welche die SNB momentan verwaltet, ist alles möglich. Aber die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Als Präsident der FDK bin ich und sind auch die Kantone sehr zufrieden mit dieser Lösung, die wir heute auf dem Tisch haben.
Das Gespräch führte Gaudenz Wacker.