«Das grosse Problem für die Kaffee-Produzentenfamilien ist der Klimawandel», sagt Steffen Schwarz. Schwarz gilt international als Fachmann sowohl für den Kaffeemarkt, als auch für die Kaffeepflanze selbst.
Er erklärt: «Wir haben immer das falsche Wetter. In Zeiten, in denen wir normalerweise Trockenheit haben, gibt es viele Niederschläge, und in Zeiten, in denen es sehr viele Niederschläge haben sollte, bleibt es trocken.» Feuchtigkeit braucht die Kaffeepflanze, um wachsen zu können und die Kaffeekirschen auszubilden.
Weniger Erträge und höhere Kosten
Fehlen die Niederschläge, wirft die Kaffeepflanze einen Teil der Kirschen ab. Trockenheit während der Ernte verhindert, dass die Kaffeekirschen verfaulen. Die Natur könne mit diesem Wandel umgehen, sie passe sich an, sortiere nicht mehr funktionierende Systeme aus, sagt Steffen Schwarz. «Für existente Pflanzungen und Habitate ist das aber ein grosses Problem.»
Die Kaffeeproduktion einfach in andere Regionen zu verlagern, ist theoretisch zwar denkbar, in der Realität kaum umsetzbar. «Verlegt man die Plantagen in höhere Lagen, wird die Produktion an steileren Lagen teurer. Weiter im Süden dürften die Flächen nicht vorhanden sein und im Norden trifft man schnell auf trockenere Gebiete. Und diese eignen sich nicht für Kaffee.»
Das heisst, dass die Bauernfamilien zwar wegen des höheren Preises etwas mehr für ihren Kaffee erhalten. Gleichzeitig müssen sie mit weniger Erträgen auskommen, und sie und ihre Angestellten kämpfen mit höheren Kosten für Energie und Lebensmittel.
«Für den Bauern ist nicht mehr drin», bilanziert Steffen Schwarz. Und er ergänzt: Grosser Kostentreiber beim Kaffee sei der Transport. So bezahle er fast zwölfmal mehr für einen Container mit Kaffee aus Indien als vor der Pandemie.
Eine Möglichkeit, diese klimabedingten Einkommenseinbussen zu beheben, sind neue Kaffeesorten. Denkbar ist der vermehrte Einsatz von Liberica-Kaffee neben den dominierenden Sorten Arabica und Canefora oder Robusta.
Entsprechend arbeitet auch die Wilhelma in Stuttgart an einer Pflanzendatenbank mit Varietäten aus allen Weltregionen. Sie sollen es den Produzenten ermöglichen, auf geeignetere Pflanzen umzusteigen (SRF Trend berichtete). Allerdings dauert es Jahre bis Jahrzehnte, bis zum Beispiel ein Liberica-Kaffeebaum den vollen Ertrag abwirft.
Wir müssen versuchen, mit Biodiversität stabilere Klein-Klimazonen für die Farmen zu erzeugen.
Es braucht somit schneller wirksame Massnahmen, um den Bauernfamilien ein zusätzliches Einkommen zu sichern. «Sie können Pfeffer anbauen, der in den Plantagen empor rankt oder Früchte anbauen für den Eigengebrauch, den lokalen Markt oder gar den Export», sagt Steffen Schwarz.
Und das bringe auch einen weiteren Vorteil: «Wir müssen versuchen, mit Biodiversität stabilere Klein-Klimazonen für die Farmen zu erzeugen. Das ging in den vergangenen Jahrzehnten vergessen. Vermutlich ist das aber die beste Strategie, um kurzfristig auf die Herausforderungen reagieren zu können.»
Proteinriegel aus der Kaffeebohne?
Daneben will Steffen Schwarz anregen, nicht nur die Kaffeebohne, sondern weitere Teile der Kaffeepflanze zu nutzen. So fallen pro Kilo Kaffeebohnen fünf Kilo Fruchtfleisch an, die bisher in der Regel weggeworfen werden. Auch fallen Blätter an, wenn die Kaffeepflanzen zurückgeschnitten werden. Diese kann man für Tees verwenden.
Er habe verschiedene Produkte getestet, sagt der Kaffee-Experte: «Aus den Kaffeekirschen kann man Destillate machen, Sirupe oder Pürees. Man kann sie trocknen und als Tee verwenden. Die Kirschen können gemahlen und zu einem glutenfreien, süsslichen Mehlersatz verarbeitet werden.»
Ebenfalls einen Markt sieht Steffen Schwarz für die Silberhäutchen rund um die Kaffeebohnen. Sie könnten als Basis für Proteinriegel dienen. Oder die Hornschalen um die Bohnen als lichtdichter, temperatur- und feuchtigkeitsstabiler Rohstoff für Lebensmittelverpackungen, zum Beispiel gerade auch für Kaffee.
Mögliche Zusatzprodukte aus der Kaffeepflanze | |
Kaffeekirsche | Koffeinhaltige Produkte wie Destillate, Pürees, Sirup. Getrocknet als Tee, gemahlen als glutenfreier Mehlersatz. |
Kaffeeblätter | Verschiedene Teesorten je nach Alter oder Beschaffenheit der Blätter |
Silberhäutchen | Proteinhaltiger Zusatzstoff für Riegel |
Hornschale | Gemahlen als Baustoff zum Beispiel für Lebensmittelverpackungen. |
Damit solche Nebenprodukte von Kaffee exportiert oder eben in andere Länder importiert werden können, braucht es Bewilligungen, da es sich um Lebensmittel handelt. Konkret geht es meistens um Nachweise, dass die verarbeiteten Produkte keine Giftstoffe enthalten, die den menschlichen Organismus schädigen könnten. Bei gewissen Produkten handelt es sich gar um so genannten Novel Food, neue Lebensmittel, für welche noch strengere Kontrollen gelten.
Das Interesse an solchen Zusatzprodukten aus der Kaffeepflanze scheint vorhanden. So gibt es auch von grossen Lebensmittelkonzernen erste Produkte zum Beispiel aus Kaffeekirschen auf dem Markt.
Neue Handelskanäle nötig
Neue Einnahmequellen für Bauernfamilien finden, ist das eine. Es braucht aber auch Möglichkeiten, um diese neuen Produkte möglichst günstig zu den Konsumentinnen und Konsumenten zu transportieren. Und je nach Produkt können es nicht die gleichen Transportwege sein wie für Kaffeebohnen.
Tobias Meier kennt diese Herausforderungen. Er ist der Präsident von Swiss Fair Trade. «Die Frage ist, wie gross die Vermarktungskanäle sind. Denn die traditionellen Handelskanäle für Kaffee auf dem Weltmarkt sind andere als jene für Nischenprodukte wie Pfeffer, Honig oder andere Produkte.»
Gerade bei den Schalen der Kaffeekirsche sei die grosse Herausforderung, deren Qualität zu garantieren. «Dafür braucht es spezielle Trocknungsanlagen, welche wiederum Investitionen mit sich ziehen. Da ist es momentan oft nicht absehbar, dass kostendeckende Preise auf dem Markt erzielt werden können», sagt Meier. Ein gangbarer Weg sei, wenn sich Produzentenfamilien zusammenschliessen, um gemeinsam eine Anlage zu kaufen.
Wir müssen Partnerschaften aufbauen, die langfristige Perspektiven geben, langfristige Investitionen und Abnahmeverträge garantieren.
Tobias Meier ist überzeugt, dass kleine Produzenten bei Nischenprodukten durchaus erfolgreich sein können. Doch er mahnt: «Gut gemeint, ist noch nicht gut getan!» Wer naiv vorgehe, einfach helfen wolle und Kaffee den Bauernfamilien abkauft oder sie gar motiviert, sich in risikoreiche Investitionen zu stürzen, handle nicht nachhaltig. «Ein gutes Projekt ist ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig.»
Partnerschaften für Kaffeeproduzenten
Fair-Trade-Spezialist Tobias Meier fordert deshalb Handelssysteme für die Kaffeebauern, die resilient sind. «Wir müssen Partnerschaften aufbauen, die langfristige Perspektiven geben, langfristige Investitionen und Abnahmeverträge garantieren. Dann haben die Bauernfamilien eine Zukunft.»