Warum kommt der Wechsel an der UBS-Spitze gerade jetzt? Seit der notfallmässigen Übernahme der Credit Suisse durch die UBS sind knapp zehn Tage vergangen. Die Gemüter haben sich etwas beruhigt – doch die Unsicherheiten bleiben gross. «Die UBS ist praktisch über Nacht zum weissen Ritter der CS geschlagen worden und kann sich keine Experimente erlauben», sagt Gabriela Nagel, Leiterin des Instituts für Financial Management an der ZWAW. Dass sich der Verwaltungsrat überlege, wer in diesen stürmischen Zeiten die beste Besetzung als CEO ist, könne sie sehr gut nachvollziehen. Es brauche nun einen starken Chef, der das Projekt übernehme, sagt auch Mark Dittli, Chefredaktor des Finanzportals «The Market». Um den bisherigen UBS-Chef Ralph Hamers sei es hingegen schon vor der Übernahme ruhig geworden: «Man hatte nicht das Gefühl, dass er die Zügel richtig fest in der Hand hält.»
Warum wurde Sergio Ermotti für den Chefposten ausgewählt? Ermotti kennt das Bankengeschäft von der Pike auf. Die Karriere des Tessiners begann mit einer Bankenlehre bei der Cornèr Bank in Lugano. Es folgten Stationen bei der Citicorp Investment Bank, Merill Lynch und Unicredit, bevor Ermotti im April 2011 zur UBS wechselte und schliesslich zum CEO ernannt wurde – also kurz nachdem die Bank während der Finanzkrise vom Staat gerettet werden musste.
«Ermotti hat gezeigt, dass er in der Lage ist, eine Bank nach einer Finanzkrise wieder auf Kurs zu bringen», sagt ZHAW-Professorin Nagel. Es brauche jetzt jemanden, der das Geschäft einer international vernetzten Universalbank sehr gut kenne und vor allem auch in der Schweiz gut vernetzt sei. «Ermotti kennt sich mit den politischen Verhältnissen in der Schweiz aus», betont auch Bankenanalyst Andreas Venditti. «Das ist eine gute Voraussetzung für die Debatten, die nun anstehen.» Mark Dittli gibt zu bedenken, dass UBS-Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher und der bisherige CEO Hamers hierzulande weniger stark verwurzelt seien. «Das war schon während den Notfallverhandlungen ein Malus.» Das Duo Kelleher/Ermotti sei deshalb viel stärker als das Duo Kelleher/Hamers.
Wie ist Ermottis Bilanz aus seiner Zeit als UBS-Chef? Ermotti folgte 2011 auf Oswald Grübel, der zurücktreten musste, nachdem der britische Händler Kweku Adoboli illegal zwei Milliarden Dollar mit Hochrisiko-Papieren verzockt und das Riskmanagement der UBS nach der Staatsrettung erneut in die Kritik gebracht hatte. Ermotti verkleinerte das Investmentbanking massiv und trimmte das Institut hauptsächlich auf die Vermögensverwaltung. «Im Nachhinein betrachtet, war das der richtige Schritt – auch vor dem Hintergrund der sich stetig verschärfenden Regulierungen», sagt Andreas Venditti. Die Entscheidung zum Umbau des Geschäfts habe damals zwar der Verwaltungsrat getroffen, «doch umgesetzt wurde die neue Strategie von Ermotti und seinem Team», sagt Venditti. Ermotti sei wesentlich daran beteiligt gewesen, die UBS zu dem zu machen, was sie heute sei, sagt auch Mark Dittli: «Eine sehr stabile Bank und der mit Abstand grösste Vermögensverwalter von Privatkundengeld.»
Während Ermottis Ära war die Bank denn auch profitabel und ihr flossen über 350 Milliarden Franken an Neugeldern zu. Der Wert der UBS ist dennoch nicht gestiegen, beim Aktienkurs zeigte sich ein stetes Auf und Ab. Von den Medien wurde kritisiert, Ermotti pflege einen konservativen Führungsstil, sei zu wenig innovativ und habe die Förderung von neuen Führungskräften verschlafen.
Wie reagieren die Märkte auf Ermottis Ernennung? Bis zum Nachmittag lag die UBS-Aktie knapp 3 Prozent im Plus und damit über dem Markt: Der SMI und der Bankenindex Euro Stoxx beispielsweise konnten weniger stark zulegen. Die Investorinnen und Investoren reagieren also verhalten positiv auf die Personalie.
Was muss Ermotti jetzt als Erstes anpacken? Stabilität, Ruhe, eine Zukunftsperspektive: Das muss Ermotti jetzt bringen. Er übernimmt den derzeit wohl schwierigsten Job der Schweiz. Die UBS erhofft sich, dass sie nach der Zustimmung aller internationalen und nationalen Behörden im April mit der Integration der CS loslegen kann. «Danach muss Ermotti möglichst schnell einen konkreten Plan für die Zukunft vorlegen. Auch, damit nicht noch mehr gute CS-Mitarbeitende und Kundinnen und Kunden abspringen», sagt Analyst Venditti. Und Bankenexperte Dittli glaubt: «Die Kommunikation nach innen und aussen wird zentral sein.»