1136 Tonnen Gold – diese Menge haben Zentralbanken vergangenes Jahr gekauft. Aktueller Wert: 64 Milliarden Dollar.
Im ersten Quartal dieses Jahres hat sich der Kaufrausch fortgesetzt. Singapur: plus 69 Tonnen. China: plus 58 Tonnen. Türkei: plus 30 Tonnen. Bereits im vergangenen Jahr kaufte die Türkei rekordhohe 148 Tonnen Gold.
«Es sind nicht Zentralbanken in der westlichen Welt, die Gold kaufen. Es sind Zentralbanken von Schwellenländern», sagt UBS-Rohstoffanalyst Giovanni Staunovo. «Sie haben viele Dollar-Anlagen und wollen diese nicht mehr halten. Denn sie wissen nicht, was passiert, wenn sie mal auf einer Liste landen.»
Worauf er anspielt: Die Goldkäufe sind eine Reaktion auf die Sanktionen gegen Russland. Schätzungsweise die Hälfte der russischen Währungsreserven ist im Ausland eingefroren.
Ein geopolitischer Showdown zwischen dem Westen und etlichen aufstrebenden Ländern bahnt sich an.
Die neue Studie «In Gold We Trust» zeigt, wie sich der globale Goldmarkt von West nach Ost verlagert. Darin heisst es: «Ein geopolitischer Showdown zwischen dem Westen und etlichen aufstrebenden Ländern bahnt sich an. Das US-Dollar-zentrische Weltwährungssystem gerät immer stärker unter Druck.» Hauptautor ist Ronald-Peter Stöferle vom Fonds- und Vermögensverwalter Incrementum in Liechtenstein.
Schweizer Goldschmelzen profitieren
Ein westliches Land profitiert dennoch: die Schweiz, die globale Drehscheibe für Gold. Hier sind fünf Goldschmelzen zu Hause, die zusammen zwei Drittel des weltweiten Goldes raffinieren.
Bei der Goldschmelze Argor Heraeus in Mendrisio (TI) spürt man die grosse Nachfrage. «In den letzten Monaten sind die Mengen an 400-Unzen-Barren deutlich nach oben gegangen», sagt Geschäftsführer Robin Kolvenbach. Diese Barren kaufen meist Grossinvestoren wie Zentralbanken. Kolvenbach spricht von einer «Verdopplung bis Verdreifachung».
Laut dem Wiener Bericht und den Zahlen des World Gold Council war 2022 aber auch ein Rekordjahr für Privatanlegern. Sie kauften mehr Goldmünzen und kleinere Barren als in den vorangegangenen zehn Jahren. Auch im ersten Quartal 2023 bleibt die Nachfrage hoch.
100'000 Goldvreneli
Das spürt der deutsch-österreichische Goldhändler Philoro in seiner Zürcher Vertretung. Verwaltungsratspräsident Christian Brenner spricht von einer Welle, die er derzeit erlebe: «In einer Welle werden Produkte in einer grösseren Stückelung gekauft. 250-Gramm-Barren, 100-Gramm-Barren bis teilweise auch ein Kilo.»
Stark nachgefragt seien auch Münzen. 100'000 Goldvreneli habe er im vergangenen Jahr verkauft.
Es gibt aber auch Stimmen wie jene des Goldhändlers Degussa. Geschäftsführer Andreas Hablützel sagt: «In den letzten vier bis fünf Monaten verkaufen die Kunden eher, als dass sie kaufen.» Der hohe Goldpreis sei verlockend. Auch spürten viele die Inflation und brauchten das Geld.
Goldpreis steigt weiter
Der Goldpreis ist derzeit sehr volatil, erreicht aber immer wieder Rekordhöhen und knackte kürzlich die 2000-Dollar-Grenze. Auch in dieser Woche bewegt er sich über 1900 US-Dollar.
UBS-Rohstoffanalyst Giovanni Staunovo geht davon aus, dass der Preis weiter steigen wird. «Wir erwarten, dass der Goldpreis bis Ende Jahr Richtung 2100 Dollar pro Feinunze ansteigt. Im Frühjahr nächsten Jahres sehen wir ihn bei etwa 2200 Dollar.»
Die Autoren des «In Gold We Trust»-Reports sehen den Goldpreis Ende dieses Jahrzehnts gar bei 4800 US-Dollar – falls die Weltwirtschaft in eine Rezession abgleitet.