Sie heissen Tinder, OkCupid, Match, Meetic oder Pairs, und sie alle sollen mittels Algorithmen zwischen zwei Menschen den Funken springen lassen. Sei es durch eine simple Wischgeste auf Tinder, oder durch Multiple-Choice-Fragen auf OkCupid, die die Nutzerinnen und Nutzer selber erfinden, etwa «Mögen Sie es, die Schamhaare Ihres Partners oder Ihrer Partnerin zu rasieren?»
Vom Einwahlmodem aufs Smartphone
Die Auswahlverfahren der Kandidaten variieren nach Plattform, doch Tinder, OkCupid und Co. haben eines gemeinsam: Sie gehören alle zur Match-Gruppe, die rund einen Drittel des Online-Dating-Markts besetzt. Ein Drittel heisst: 6,4 Millionen zahlende Nutzerinnen und Nutzer weltweit nutzen Produkte der Match-Gruppe, die im vergangenen Jahr einen Gewinn von 350 Millionen Dollar erwirtschaftete.
Die älteste Marke der Match-Gruppe ist Match.com, gegründet 1995 und eine der ersten Dating-Seiten im noch jungen Internet der 1990er-Jahre. Rund zwanzig Jahre später ist das Internet mobil, und so ist nun das stärkste Zugpferd Tinder. Die Smartphone-App findet vor allem beim jüngeren Publikum grossen Anklang, geriet aber auch in den Verruf, nur dem schnellen Sex zu dienen. Die beliebteste mobile Dating-App mit der typischen Wischgeste existiert seit 2012, doch seit 2014 besitzt die Match-Gruppe einen Mehrheitsanteil.
Wachsen durch Einkauf
Das ist die zentrale Strategie, wie sich die Match-Gruppe ihre Position als Dating-Platzhirsch sichert: bestehende Plattformen einkaufen. Das zeigt sich besonders deutlich in der Historie einiger Dating-Marken:
- Die französische Meetic, eine der grössten Dating-Plattformen in Europa, kam 2009 hinzu.
- 2011 kaufte die Gruppe OkCupid, eine Dating-Plattform für «Geeks», die schon früh auf Big-Data-Analysen ihrer Nutzerbasis setzte.
- PlentyOfFish kam 2015 zur Match-Gruppe und bedient primär ein Publikum in England, Irland, Neuseeland, Brasilien, Kanada und den USA.
- Pairs, ebenfalls im 2015 hinzugekauft, richtet sich an ein asiatisches Publikum.
Doch die Match-Gruppe steht nicht alleine da. Vielmehr gehört sie einem noch grösseren Unternehmen, der IAC/InterActiveCorp. Dieses nahm Mitte 80er-Jahren seinen Anfang als Silver King Broadcasting Company und kaufte in einer ähnlichen Strategie zahlreiche Internetfirmen im Verlauf der 2000er-Jahre.
Neben Video-Seiten (Vimeo, Daily Burn), Handwerkervermittlung (Angi Homeservices), Software und Online-Verlagsarbeit (The Daily Beast, Ask.com), ist Online-Dating der wichtigste Einkommensfaktor: Mit 1,3 Milliarden US-Dollar Umsatz ist die Match-Gruppe der reinste Goldesel für IAC, mit steigenden Einnahmen und steigendem Wachstum, allen voran bei Tinder.
Premiumsparte, Werbung – und Daten
Die direkten Einnahmen stammen primär aus Abonnementskosten oder einmaligen Zahlungen, um zusätzliche Optionen freizuschalten. Beispielsweise ermöglicht Tinder Plus für rund 10 Dollar im Monat eine unlimitierte Anzahl von Wischgesten, OkCupid ein unsichtbares Profil oder eine bessere Sichtbarkeit im Meer der Kandidaten.
Ein anderer Punkt ist die Online-Werbung, die in den Gratisversionen der Match-Gruppe angezeigt wird. Und hier beginnt der Teil, in dem sich der Dating-Riese mit Aussagen zurückhalt: Der Handel mit Nutzerdaten. Laut dem Jahresbericht von 2017 ist dies nur ein kleiner Prozentsatz.
Doch das erklärt nicht alles: Die Datenschutzbestimmungen von OkCupid weisen beispielsweise darauf hin, dass Nutzerdaten geteilt werden, aber nicht in welchem Umfang. Die Daten einer Nutzerin werden so mit allen anderen Marken der Match-Gruppe geteilt, aber auch mit Drittparteien. Dazu gehören auch Werbenetzwerke und Analyseplattformen, etwa das Facebook-Werbenetzwerk. Inwiefern die Nutzerdaten auch mit dem Mutterunternehmen IAC geteilt werden, ist nicht klar – eine Anfrage von SRF bleibt unbeantwortet.
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Liebesdatenhandel und DSGVO
Untersuchungen von Nichtregierungsorganisationen weisen darauf hin, dass mitunter mehr Daten mit Drittparteien geteilt werden könnten, als sich die Nutzerinnen und Nutzer aufgrund der Datenschutzbestimmungen bewusst sind. Die Stiftung Warentest analysierte im Februar bei 22 Apps, inwiefern diese mehr über die Anwenderin verraten als notwendig. Nur fünf Apps waren aus Datenschutzsicht akzeptabel. Zu den untersuchten Anwendungen gehören auch mehrere zur Match-Gruppe.
Im Februar 2017 fragte Privacy International in einem öffentlichen Brief, inwiefern die Match-Gruppe Daten mit ihrem Mutterkonzern teilte – und erhielt bislang keine Antwort. Das Berliner Kollektiv Tactical Tech wiederum beschrieb in einem ausführlichen Artikel anfangs Juli, wie Dating-Daten von Unternehmen zu Unternehmen wandern. Der Artikel liefert auch gleich eine Reihe Tipps, wie Nutzerinnen und Nutzer trotzdem verantwortungsvoll mit ihren Dating-Profilen umgehen können.
Denn Online-Dating ist ein unlösbares Dilemma: Einerseits wollen wir den Plattformen so viele persönliche Informationen wie möglich füttern, um einen möglichst guten Match zu erhalten. Andererseits können wir nicht erkennen, inwiefern all diese Informationen weiterverwendet werden. Ende Mai trat die neue EU-Datenschutzgrundverordnung DSGVO in Kraft, die für den EU-Raum und die Schweiz weitreichende Konsequenzen haben kann. In welchem Umfang dies Dating-Apps betrifft, bleibt abzuwarten.
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Platz für Nischen
Die Match-Gruppe ist im Bereich des Online-Datings der Platzhirsch. Niemand kann ihr in Bezug auf Einkommen und Grösse das Wasser reichen, ihre Produkte gehören zu den meistbesuchten Dating-Seiten weltweit. Die Match-Gruppe dürfte aufgrund des Netzwerkeffekts auch weiter wachsen: Eine Plattform mit vielen Mitgliedern zieht noch mehr Mitglieder an. Denn nichts törnt mehr ab als eine Dating-Plattform, auf der Nutzerinnern immer wieder dieselben zehn potentiellen Partner vorgeschlagen werden, weil es nicht mehr Nutzer gibt.
Trotzdem bleibt Platz für Nischen-Plattformen, die etwa auf einen lokalen Markt zielen oder solche, die mit spezifischen Auswahl-Algorithmen werben. Im Mai kündigte Facebook eine eigene Dating-App innerhalb der Facebook-Plattform an, im Juni kaufte die Match-Gruppe eine weitere Plattform ein, Hinge. Auch die Plattform Parship floriert, die seit Herbst 2016 der ProSieben-Sat.1-Mediengruppe gehört und im deutschsprachigen Raum zu den bekanntesten gehört.
Denn die Branche hat grosses Wachstumspotential: Langsam schwindet das Stigma, das dem Online-Dating lange anhaftete. Gleichzeitig wird eine ganze Generation volljährig, die ständig online ist. Jugendliche, die mit dem Smartphone aufgewachsen sind, werden in naher Zukunft 18 Jahre alt – die Altersgrenze, um laut Tinder & Co. die Dienste überhaupt nutzen zu dürfen. So verwundert auch nicht, dass eine US-Untersuchung feststellt: In den letzten zwei Jahren hat sich die Nutzung von Online-Dating-Plattformen zwischen den 18-24-Jährigen verdreifacht.