Die Kohle feiert ein Comeback – obwohl am letztjährigen Klimagipfel in Glasgow ein weltweiter Ausstieg eingeleitet wurde. Die internationale Energieagentur IEA prognostiziert, dass die Kohleproduktion in diesem Jahr mit 8 Milliarden Tonnen ihren Höchststand erreichen wird.
Wie bei anderen Rohstoffen fungiert beim Kohlehandel die Schweiz als gewichtige Drehscheibe. Eine Analyse der Non-Profit-Organisation Public Eye zeigt, dass gut 40 Prozent des Handels von Unternehmen abgewickelt wird, die ihren Sitz in der Schweiz haben. Zudem flossen seit Abschluss des Pariser Klimaabkommens Milliarden in den Sektor. «Schweizer Banken haben seit 2016 das Kohlegeschäft mit 3 Milliarden Franken finanziert», sagt Studienautor Robert Bachmann.
Finanzierung erfolge diskreter
Laut Public Eye stamme mehr als die Hälfte der Schweizer Gelder von der Credit Suisse. Diese schreibt auf Anfrage: «Im Jahr 2021 haben wir unser Kreditengagement im Kohlesektor um 39 Prozent gesenkt.» Zudem leiste sie keine Finanzierung an Unternehmen, die 25 Prozent ihres Umsatzes mit Kohlekraft oder dem Abbau von Kohle erwirtschaften. 2030 werde dieser Schwelle auf 5 Prozent gesenkt.
«Ausschlusskriterien sind oft so formuliert, dass grosse, diversifizierte Konzerne durchfallen», kritisiert Robert Bachmann. Und die Finanzierung erfolge immer diskreter. «Einerseits über Obligationen, die die Banken nicht in der Bilanz ausweisen müssen, andererseits über Darlehen, die nicht an spezifische Projekte gebunden sind.» Die Credit Suisse betont, dass ihre Richtlinien auch für diese Geschäfte gelten.
Neue Standards auf breiter Front
Auf dem Schweizer Finanzplatz bewege sich im Nachhaltigkeitsbereich sehr viel, sagt Sabine Döbeli, Geschäftsführerin des Verbands Swiss Sustainable Finance. Nicht zuletzt der letztjährige Klimagipfel in Glasgow habe aufgerüttelt. Die Finanzbranche wurde aufgefordert, konkrete Klimaziele wie Netto-Null zu definieren. «Es gibt heute 27 Schweizer Banken, die sich solche Ziele gesetzt haben. Die decken zusammen etwa zwei Drittel des Marktes ab.»
Auch die Banken hätten erkannt, wie gross das Risiko des Klimawandels ist und ein Interesse, Risiken zu senken. Die Basis für gezielte Verbesserungen sei letztlich aber mehr Transparenz. Genau hier setzt der Bundesrat an, der bis Ende Monat für Unternehmen Richtlinien zur Klimaberichterstattung ausarbeitet.
Tritt die Verordnung in Kraft, müssen Unternehmen ab 2024 über Klimarisiken und deren Wirkung berichten. «Wenn sie sich bewusst werden, wo die grossen Risiken liegen, können sie auch gezielt dort für Verbesserungen sorgen», sagt Sabine Döbeli.
Bezifferung der Folgen nicht möglich
Inwiefern die jüngsten Bestrebungen sich auf die Kohlefinanzierung auswirken, kann Public-Eye-Energieexperte Robert Bachmann nicht beziffern. Das Kreditvolumen sei 2022 bis September zwar zurückgegangen, aber «bis zum Jahreswechsel könnte die Zahl noch steigen und es ist möglich, dass die Banken und Unternehmen Wege gefunden haben, die wir nicht analysiert haben.»
Der Klimagipfel in Ägypten soll die Kohle-Diskussion in den nächsten zwei Wochen voranbringen. Wegen der derzeit turbulenten Energiemärkten startet er jedoch unter schwierigen Vorzeichen.