Grossbritannien und weitere europäische Länder wollen massiv aufrüsten – und dafür braucht es zusätzliches Geld. In Grossbritannien sollen auch die Pensionskassen zur Finanzierung beitragen und Geld bei Rüstungsherstellern anlegen.
Wäre das auch in der Schweiz denkbar? Denn lange Jahre galt es unethisch, in Waffengeschäfte zu investieren und damit Geld zu machen.
Richtlinien mit klaren Grundlagen
Pensionskassen und Anlagefonds haben klare Vorgaben, wie sie ihr Geld investieren. Es sind gesetzliche Vorgaben und auch interne Richtlinien, die sich die Kassen selber geben. Auch wenn sich nun die geopolitische Lage dramatisch verändert, werden die Pensionskassen ihre Grundsätze nicht einfach plötzlich über Bord werfen, sagt Lukas Müller-Brunner, Geschäftsführer des Branchenverbandes Asip.
Es sei ein Missverständnis zu glauben, dass Pensionskassen im Tagesrhythmus neu über ihre Anlagen befinden würden. «Die Realität ist vielmehr: Man hat langfristige Anlagerichtlinien, die einer klaren Grundlage folgen, die man vorgängig festlegt.»
In den Anlagerichtlinien ist zum Beispiel vorgegeben, wie viel Geld die einzelnen Pensionskassen in Aktien investieren, wie viel in Anleihen und wie viel in Währungen. Es gibt auch Vorgaben in Bezug auf die Nachhaltigkeit, zum Beispiel Umwelt, soziale Standards und Grundsätze im Umgang mit Investitionen in die Rüstungsindustrie.
Sind Waffen immer «schlecht»?
Es gibt zwar etliche Anlagefonds und Pensionskassen, die Investitionen in Waffen ausschliessen, und es ist möglich, dass sich die zuständigen Gremien bei diesen Kassen Gedanken über eine Lockerung der internen Regeln machen. Die Mehrheit der grossen Pensionskassen allerdings hat bereits bisher in Aktien von Rüstungsunternehmen investiert, da ändert sich nichts.
Waffen sind nicht per se gut oder schlecht. Die Frage ist, wer sie in welchem Kontext nutzt.
Ob und in welche Waffenlieferanten investiert werden kann, damit befasst sich auch der Verein für verantwortungsbewusste Anlagen SVVK. Der Verein ist ein Zusammenschluss grosser, wichtiger Pensionskassen der Schweiz, zum Beispiel der Pensionskassen des Bundes, der Migros oder der Suva. Die Empfehlungen des Vereins haben in der Branche grosses Gewicht.
Die SVVK-Geschäftsführerin Tamara Hardegger hat ein differenziertes Bild von Waffen: «Man stelle sich vor, wir hätten eine Armee oder eine Polizei ohne Waffen. Wäre uns da wohl?», fragt sie rhetorisch. Waffen dienten zwar keinem schönen Zweck, so Hardegger weiter. «Sie sind aber nicht per se gut oder schlecht. Die Frage ist, wer sie in welchem Kontext nutzt.»
Lukas Riesen, Partner bei Beratungsunternehmen PPCmetrics, geht davon aus, dass die Pensionskassen und Anlagefonds nur einen geringen Teil des Geldes in Aktien und Obligationen von Rüstungsfirmen investieren, weniger als ein Prozent.
Staatsanleihen können in Rüstung fliessen
Indirekt könnte es aber schon sein, dass die Pensionskassen künftig mehr Geld in die Rüstung stecken. Nämlich indem sie mithelfen, die Schulden der europäischen Staaten zu finanzieren.
«Vorsorgeeinrichtungen investieren auch in Staatsanleihen – und mit diesen werden unterschiedlichste Projekte finanziert», erklärt Riesen. Es werde im politischen Prozess entschieden, wie das Geld investiert wird. So könne es etwa in Infrastrukturprojekte fliessen, aber eben auch in die Rüstung.
Staaten wie Grossbritannien und Deutschland oder die EU finanzieren ihre Rüstungsprogramme mit zusätzlichen Schulden, die dann auch durch die Pensionskassen der Schweiz mitfinanziert werden. So gesehen fliessen auch Gelder aus der Schweiz in die Aufrüstung in Europa.