- Das Zürcher Obergericht hat den Prozess gegen den deutschen Cum-Ex-Aufklärer Eckart Seith überraschend eingestellt.
- Es kam zum Schluss, dass ein früherer Staatsanwalt befangen war.
- Der Anwalt und Whistleblower Seith stand vor Gericht – ihm wurde Verletzung des Bankgeheimnisses vorgeworfen.
«Der Staatsanwalt hat nicht die nötige Unvoreingenommenheit gezeigt», sagte der Oberrichter in seiner Begründung. Seith und den beiden Mitbeschuldigten seien wichtige Teilnahmerechte verweigert worden, etwa das Akteneinsichtsrecht. «Das war kein Versehen.» Der Oberrichter bezeichnete dies als «klaren Verstoss» gegen die Regeln einer korrekten Verfahrensführung.
Dies bedeutet, dass die Beweise gegen Seith und die beiden Mitbeschuldigten nicht verwertet werden können. Die ganze Sache an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, kam für das Obergericht aber nicht in Frage.
Kanton Zürich soll Millionen zahlen
Nach so vielen Jahren – inzwischen ist der Fall zehn Jahre alt – könnten die Beweise ohnehin nicht mehr sauber neu erhoben werden. «Die Verfahren werden deshalb eingestellt», sagte der Oberrichter.
Seith und die beiden Mitbeschuldigten wollen nun für die lange Zeit des Verfahrens entschädigt werden: Seith fordert vom Kanton Zürich 300'000 Franken wegen wirtschaftlicher Einbussen, die beiden Mitbeschuldigten gar 1.5 und 2.7 Millionen. Dazu kommen die Anwaltskosten der drei Beschuldigten, insgesamt sind dies mehrere hunderttausend Franken.
Noch nicht rechtskräftig
Dieser Entscheid ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft könnte ihn noch ans Bundesgericht weiterziehen und für nichtig erklären lassen. Dann müsste das Obergericht den Cum-Ex-Fall trotzdem verhandeln. Ob die Zürcher Ankläger dies tun werden, ist noch offen.
Sie hatten jedoch schon einmal Erfolg damit. Vor drei Jahren wurden die deutschen Steuertricks bereits einmal vor Obergericht verhandelt. Auch damals stellten Seith und die Mitbeschuldigten, zwei ehemalige Bankangestellte, den Antrag, den früheren Staatsanwalt für befangen zu erklären. Und auch damals kam das Obergericht zum Schluss, dass das Verfahren gegen den Deutschen nicht sauber geführt worden sei.
Das Bundesgericht war jedoch der Ansicht, dass der Staatsanwalt keinesfalls befangen gewesen sei und schickte den Fall nach Zürich zurück – mit dem Auftrag, den Prozess durchzuführen. Den jüngsten Befangenheits-Antrag reichte Seith deshalb mit abgeänderter Begründung ein.
Vorwurf der Wirtschaftsspionage
Dem deutschen Anwalt Eckart Seith werden Wirtschaftsspionage und Verstösse gegen das Bankengesetz vorgeworfen, weil er sich mit Hilfe von Bankangestellten interne Dokumente der Schweizer Bank J. Safra Sarasin beschafft und an deutsche Ermittler weitergegeben haben soll. Die Staatsanwaltschaft forderte für Seith eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Für die beiden Bankangestellten beantragte sie Freiheitsstrafen in ähnlicher Höhe.
Das Bezirksgericht Zürich sprach Seith im April 2019 vom Vorwurf der Wirtschaftsspionage frei. Es verurteilte ihn aber wegen Anstiftung zum mehrfachen Vergehen gegen das Bankengesetz zu einer bedingten Geldstrafe. Die Dokumente, um die es in dem Verfahren geht, haben zur Aufklärung des Cum-Ex-Skandals in Deutschland beigetragen.