Darum geht es: In Zürich hat ein Strafprozess begonnen, der von Deutschland genau beobachtet wird: Es geht dabei um den deutschen Anwalt Eckart Seith, der als Cum-Ex-Aufklärer bekannt geworden ist. Die Staatsanwaltschaft wirft Seith unter anderem Wirtschaftsspionage und Verletzung des Bankgeheimnisses vor. Der Stuttgarter Jurist weist die Vorwürfe zurück und sieht sich als Whistleblower im Cum-Ex-Skandal. Anwesend bei dem Prozess war auch ein Angehöriger der deutschen Botschaft in Bern.
Der Hintergrund des Prozesses: Eckart Seith war vor mehr als zehn Jahren der Anwalt des deutschen Drogeriemilliardärs Erwin Müller. Müller hatte in Fonds der Basler Privatbank Sarasin investiert und dabei viel Geld verloren. Heute weiss man, warum: Die Fonds hatten ihre Rendite mit illegalen Cum-Ex-Geschäften erzielt. 2012 flogen die Deals auf, weshalb Müller Geld verlor. Sein Anwalt Seith konnte diesen Betrug aufdecken und verklagte die Bank Sarasin erfolgreich auf Schadenersatz. Das gelang ihm, weil er an Beweise gekommen war: geheime Dokumente aus dem Innern der Bank. Diese nutzte Seith im Prozess für seinen Mandanten, doch er leitete sie auch an die deutschen und schweizerischen Behörden weiter.
Held oder Krimineller? In Deutschland gilt Seith als Held und erhielt schon Preise für sein Handeln, denn seine Hinweise brachten die Cum-Ex-Ermittlungen dort entscheidend voran. In der Schweiz ist das anders: Hier ist Seith seit 2018 Angeklagter in einem Strafprozess, zusammen mit den beiden Männern, die ihm mutmasslich die Dokumente zuspielten. Hierzulande geht es weniger um die Aufklärung der Cum-Ex-Deals und mehr um die Frage, ob die Angeklagten Geschäftsgeheimnisse verrieten, ja sogar Wirtschaftsspionage zugunsten Deutschlands betrieben.
Wie der erste Prozesstag lief: Die Verhandlung vor dem Zürcher Obergericht begann mit einem Knall: Die Staatsanwaltschaft beantragte Sicherheitshaft für den Angeklagten Seith – wegen Fluchtgefahr. Das Gericht lehnte den Antrag ab. Seith bezeichnete den Antrag dennoch als «Kampfansage» der Staatsanwaltschaft. Sein Verteidiger beantragte erwartungsgemäss die Einstellung des Verfahrens. Er begründete dies unter anderem damit, dass ein früher an den Ermittlungen beteiligter Staatsanwalt befangen sei. Das Obergericht hatte die Befangenheit dieses Staatsanwalts schon einmal, bei einer ersten Verhandlung 2021, festgestellt und das Verfahren eingestellt. Es wurde aber vom Bundesgericht zurückgepfiffen. Deshalb muss das Obergericht den Fall erneut verhandeln.
Wie es weiter geht: Das Gericht hat die Verhandlung am frühen Montagnachmittag unterbrochen, um sich zu den Vorfragen zu beraten. Es muss unter anderem klären, ob der früher ermittelnde Staatsanwalt befangen war oder nicht. Falls ja, dürfen die von ihm gesammelten Beweise nicht verwendet werden. Damit wäre das Verfahren wahrscheinlich am Ende. Am Donnerstag werden die Richter Stellung dazu nehmen. Entweder wird es dann mit den Plädoyers von Anklage und Verteidigung weitergehen – oder das Gericht stellt das Verfahren ein zweites Mal ein.