Beobachterinnen und Beobachter gehen davon aus, dass der Migros Genossenschaftsbund in den nächsten Tagen ankündigt, an wen er die Reisebüro-Gruppe Hotelplan verkauft. Gemäss der Sonntagszeitung, die sich auf Insider beruft, soll die deutsche DERTour Gruppe den Zuschlag bekommen. DERTour ist die Nummer zwei in Deutschland und auch in der Schweiz die eins auf dem Reisebüromarkt. Dem Konzern gehören seit fast zehn Jahren unter anderem die 72 Reisebüros von Kuoni. Wenn nun also die Nummer 1, die Nummer 2 übernimmt, stellen sich verschiedene Fragen:
Einerseits ist unklar, was mit Hotelplan, mit den Reisebüros und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschieht. Heute sind die beiden Unternehmen Konkurrenten, die in vielen Bereichen das gleiche Publikum ansprechen, mit Reisebüros, die oft nicht weit weg voneinander liegen. Wie viele Standorte bleiben erhalten und welche? Andererseits entsteht mit der Übernahme eine neue noch grössere Nummer 1, die auf dem Reisebüromarkt eine monopolartige Stellung haben könnte. Ist das wettbewerbsrechtlich vertretbar?
Die erste Frage werden die Käufer wohl in den nächsten Monaten beantworten. Zur zweiten meint Peter Georg Picht, Professor für Kartellrecht an der Universität Zürich: «Die Wettbewerbsbehörde schaut, ob durch den Zusammenschluss erstens eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt würde. Und zweitens - und da ist das schweizerische Recht im internationalen Vergleich nicht sehr anspruchsvoll - ob ein Monopolrisiko besteht. Nur wenn diese beiden Voraussetzungen gegeben sind, würde die Behörde nicht nur prüfen, sondern auch eingreifen.»
Buchungen über Reisebüros vs. Internet
Ob eine marktbeherrschende Stellung besteht, hängt von den Marktanteilen der einzelnen Teilnehmer und der Kanäle ab. Genaue Zahlen zur Wichtigkeit von Reisebüros im Schweizer Reisemarkt gibt es allerdings nicht. Der Schweizer Reiseverband SRV schreibt auf Anfrage: «Generell beträgt das Marktvolumen bei Ferienreisen ins Ausland mit mindestens einer Übernachtung gemäss unserer Hochrechnung rund zehn Milliarden Franken, wovon gut drei Viertel auf selbst organisierte Reisen entfällt. 2.5 Milliarden Franken des gesamten Marktvolumens generieren die rund 800 Schweizer Reiseveranstalter und Reisebüros über ihre verschiedenen Buchungskanäle.»
Peter Georg Picht von der Universität Zürich: «Die Möglichkeit online zu buchen, die macht es den Schweizerinnen und Schweizern leichter, auch kleinere, woanders angesiedelte Anbieter anzusteuern und über diese eine Buchung vorzunehmen. Das heisst, die Auswahl an allen Anbietern wird grösser und somit auch der Wettbewerb. Das verringert tendenziell die Monopolisierungsgefahr oder vielleicht sogar die Marktbeherrschungsgefahr durch einen solchen Zusammenschluss.»
Noch vor 20 Jahren hätten Wettbewerbsrechtlerinnen und -rechtler die Situation mit Sicherheit anders beurteilt, erklärt Peter Georg Picht.
Offen ist übrigens auch noch, zu welchem Preis Hotelplan verkauft wird. Branchenbeobachter schätzen, dass der Käufer, voraussichtlich DERTour zwischen 140 und 200 Millionen Franken hinblättern muss – fast schon ein Schnäppchenpreis für ein Unternehmen mit insgesamt 850 Mitarbeitenden. Aber eben auch ein Indiz dafür, dass das Geschäft mit dem Verkauf von Reisen nicht einfacher werden dürfte – auch für einen neuen Riesen auf dem Schweizer Markt.