Die Schweiz legt weniger Wert auf Daten und Statistiken als viele andere Länder. Das beobachtet Ronald Indergand, der beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco das Konjunkturressort leitet. «Man ist in der Schweiz nicht besonders Statistik-freundlich eingestellt», stellt er fest.
Das hat ganz konkrete Folgen. Indergand erinnert sich an die erste Welle der Corona-Pandemie im letzten Frühling: «Beispielsweise wussten wir erst Ende Mai, als der Lockdown schon vorbei war, wie sich die Beschäftigung zwischen Januar und März entwickelt hat. In Deutschland war diese Entwicklung Monate früher schon bekannt.»
Das BIP kommt in der Schweiz später
Dass die Schweiz in Sachen Statistik anderen Ländern hinterherhinkt, zeigt sich auch jetzt: So wissen etwa Deutschland, Frankreich oder auch die EU als Ganzes bereits, wie stark sich ihre Volkswirtschaften im dritten Quartal vom ersten Corona-Schock erholt haben.
Sie haben bereits Ende Oktober die neusten Zahlen zum Bruttoinlandprodukt (BIP) veröffentlicht; das ist die wichtigste Messgrösse, um den Gesundheitszustand einer Wirtschaft zu messen. Indergand und sein Team beim Bund können hingegen jeweils erst einen Monat später mit ihren BIP-Zahlen zum vorangegangenen Quartal nachziehen.
«Grund dafür sind fehlende oder später erhältliche Statistiken, die zur Berechnung notwendig wären», sagt Experte Indergand.
Dienstleistungssektoren nicht statistisch erfasst
Das wichtigste Beispiel ist die Beschäftigung. In der Schweiz wird sie nur 4 Mal jährlich erhoben, in andern Ländern 12 Mal. Ähnliches gelte für die Konsumentenstimmung, die Umsätze in der Industrie und im Bausektor und so weiter. «In der Schweiz fehlen zurzeit auch noch Umsätze für viele Dienstleistungssektoren, die laufend an Bedeutung gewinnen. Im Ausland existieren diese Statistiken schon seit vielen Jahren; in der Schweiz werden sie nun erst vom Bundesamt für Statistik aufgebaut.»
Die Schweiz hinkt punkto Statistiken dem Ausland also mehrfach hinterher. «Wir haben in der Tendenz weniger Daten und wir haben sie später und weniger häufig.» Das sei nicht wertend gemeint. Das Seco sei sehr besorgt, dass die administrative Belastung gering gehalten werde. «Und zudem ist der Datenschutz enorm wichtig», so Indergand.
«Weniger gut gerüstet als viele Nachbarländer»
Denn das Erheben von Daten ist mit Aufwand verbunden, nicht nur bei den Statistikern, sondern auch bei den «untersuchten Objekten»; sprich bei Unternehmen, Verbänden oder privaten Haushalten. Doch diese Zurückhaltung hat laut Seco-Fachmann Indergand ihren Preis: «In Krisen wie in der gegenwärtigen sind wir aus Sicht der Wirtschaftsstatistiken und der Konjunkturbeobachtung einfach weniger gut gerüstet als viele Nachbarländer.»
Denn gerade jetzt wäre es wichtig zu wissen, wie es der Wirtschaft geht, etwa, wenn Behörden und Nationalbank Hilfsprogramme aus dem Boden stampfen und Bund und Kantone ihre Budgets erstellen.
Neuer Index soll Abhilfe schaffen
Deshalb ist das Team rund um Seco-Fachmann Ronald Indergand nun in die Offensive gegangen. Es hat einen neuen Index ins Leben gerufen. Dieser soll nun wöchentlich Auskunft über den Gang der Wirtschaft geben: «Er ist zwar kein Ersatz für das Bruttoinlandprodukt, aber er gibt wichtige Hinweise zur wöchentlichen Entwicklung.»