Die Suva will die Bauarbeiter in den Sommermonaten besser vor Sonne und Hitze schützen. Ab nächstem Jahr müssen sie zwingend einen Helm mit Nackenschutz und Stirnblende tragen. Nackte Oberkörper und kurze Hosen werden untersagt.
Für den Baumeisterverband schiesst die Suva damit am Ziel vorbei. Die Regulierungen seien praxisfremd und könnten sogar kontraproduktiv wirken, wenn sie von den Betroffenen nicht akzeptiert würden.
Die Realität auf einer Schweizer Grossbaustelle
Auf der Grossbaustelle Wankdorf 2, wo ein neuer Bürokomplex der SBB entsteht, sieht man das etwas gelassener. Auf dem Dach des Rohbaus ist es wie in einem Backofen. Die Sonne brennt, der Beton strahlt. «Lieber bei Sonne arbeiten, als bei Regen oder Schnee», sagt Miguel Moreira aus Portugal.
Doch wären «oben ohne» und kurzen Hosen nicht angenehmer? Mit solchen Fragen beschäftigt sich Moreira nicht. Was für ihn zählt, sind die Regeln seines Arbeitgebers – und die sind klar: «Unsere Firma hat das verboten. T-Shirt und lange Hosen sind vorgeschrieben.»
«Wir gehen zum Teil weiter als die Suva»
Tatsächlich rennt die Suva bei Losinger Marazzi offene Türen ein. Nicht nur T-Shirt und lange Hosen sind schon lange Pflicht beim Berner Bauunternehmen. Pflicht sind für die Arbeiter auch regelmässige obligatorische Pausen im Schatten. In den Ecken stehen grosse Kanister mit Trinkwasser. Dazu verteilt die Firma Sonnencrème.
Und auch der neue Helm mit Nackenschutz und Stirnblende, den die Suva ab nächstem Jahr vorschreibt, werde hier demnächst getestet, sagt Projektleiter Roland Hohl: «Erste Priorität hat die Gesundheit der Mitarbeiter. Entsprechend gehen wir zum Teil weiter als die Suva, um jedes Risiko zu vermeiden.»
Dass dies auf der Baustelle gelingt, liegt in den Händen von Hauptpolier Bruno Boss. Der Elsässer ist bereits seit 32 Jahren bei Losinger Marazzi und damit direkt verantwortlich für die 70 Arbeiter, die sich in dieser Bauphase auf der Grossbaustelle Wankdorf 2 tummeln.
Morgensport und Tenue-Check
«Jeder auf der Baustelle muss die ganze Sicherheitsausrüstung haben, vom Gilet über die Brille und Helm zu den Ohrenstöpseln bis zu den Schuhen und Handschuhen», erklärt Boss. Dazu gebe es jeden Morgen Sport, um die Muskeln aufzuwärmen. Damit sehe er, ob die Leute in Form und korrekt angezogen seien.
Die alten Zeiten sind vorbei
Diese Sicherheitskultur wird von seinen Untergebenen offensichtlich ohne Murren mitgetragen. Nackte Oberkörper und kurze Hosen sucht man hier vergeblich. Das war vor nicht allzu langer Zeit noch anders, wie sich Projektleiter Hohl erinnert: «Die Mentalitäten haben stark geändert. Noch vor zehn Jahren sah man vielerorts kaum Helme, Bauarbeiter mit Shorts, ‹oben ohne› und oft ohne Sicherheitsschuhe. Handschuhe waren schon gar kein Thema.» Heute stehe hier jeder mit Vollmontur da. Die Unfallquoten seien tief und das sei das Hauptziel.
Der Helm – Schutz und Bürde
Einzig bei Arbeitern von Subunternehmen müsse hie und da auf die Vorschriften hingewiesen werden, sagt Hohl. Doch die Leute seiner eigenen Firma kennen die Regeln und halten sich ganz offensichtlich daran – mit oder ohne neue Vorschriften der Suva. Einzig der Helm mit Nackenschutz und Stirnblende stösst bei Bauarbeiter Moreira noch auf leichte Skepsis, doch er nimmt es, wie es kommt: «Das muss ausprobiert werden. Wenn es funktioniert, ist das gut».